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Richtlinie Zervixkarzinom-Screening – 2015

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DGPFG-Stellungnahme
Richtlinie Zervixkarzinom-Screening
15.10.2015

Änderung der Krebsfrüherkennung-Richtlinie: Zervixkarzinom – Screening

Berlin, 15. Oktober 2015

Grundsätzlich begrüßen wir eine Änderung des bisherigen Systems der Krebsfrüherkennung mit der Einbeziehung evidenzbasierter Verfahren (HPV-Diagnostik) und der Einführung eines organisierten Screenings, wie es in den Europäischen Leitlinien von 2007 vorgesehen ist und unterstützen das damit verfolgte Ziel, die Teilnahmerate an der Krebsfrüherkennungsuntersuchung zu verbessern und die Rate sowohl an Neuerkrankungen als auch an Sterbefällen am Zervixkarzinom zu senken.

Ebenso halten wir die ausdrückliche Beibehaltung des Anspruchs auf eine jährliche klinische Untersuchung für wichtig, da sich gezeigt hat, dass viele Frauen diese Konsultation auch für die Beratung zu weiteren Anliegen ( Empfängnisregelung, Klimakterium, Angebote der Prävention) nutzen und die Chance besteht, auch psychosoziale Belastungsfaktoren zu erfassen.

Kritisch sehen wir, dass grundlegende Fragen offen bleiben aufgrund fehlender Daten zur subjektiven Belastung und gesundheitsbezogenen Lebensqualität durch die Umstellung des Screeningsystems und dass damit auch nicht gewährleistet ist, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen.

Alle drei Beschlussfassungen haben als Ziel benannt, neben der Senkung der Neuerkrankungen an invasiven Zervixkarzinomen und der Zervixkarzinomsterblichkeit, sowie der Entdeckung von Zervixkarzinomen in einem möglichst frühen Stadium, „gleichzeitig eine Minimierung der Belastungen, die mit einem Früherkennungsprogramm verbunden sein können, zu gewährleisten“ (z. B. unnötige Sorge durch falsch-positive Befunde, Gefahr der Überdiagnose und Übertherapie, Gefahr der Scheinsicherheit bzw. Gefährdung durch falsch-negative Befunde, Ungewissheit während der Wartezeiten auf Befundergebnisse sowie Risiken und Nebenwirkungen der Untersuchungen selbst.)

Ebenso haben alle drei Gremien in ihren Beschlussfassungen wie folgt darauf hingewiesen:

„Keine der Studien lieferte auswertbare Daten zu den patientenrelevanten 4 Endpunkten Gesamtüberleben, krankheitsspezifische Mortalität, unerwünschte Folgen der Screeningstrategie und Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität“ 

Damit ist die Erfüllung des Zieles „Minimierung der Belastungen“ mit dem jetzt beschlossenen Vorgehen nicht gewährleistet, da zu deren Einschätzung keinerlei objektive Daten vorliegen. Über diese soll jedoch neutral und umfassend aufgeklärt werden, sie sind wichtiger Inhalt der ärztlichen Beratung und damit Voraussetzung für die Entscheidung der Frau über die Inanspruchnahme und über ihre Wahl des geplanten Screeningverfahrens – mit nachhaltiger Auswirkung auf ihre Gesundheit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität.

Aus unserer Sicht wäre die Durchführung von Pilotprojekten vor einer flächendeckenden Umstellung des Screeningverfahrens notwendig gewesen, um diese Belastungen zu evaluieren, wie bereits von anderer Seite angemahnt wurde. (1)

Angesichts des jetzigen Standes der Beschlussfassungen, der solches Vorgehen nicht vorsieht, sehen wir für sowohl für die Beratung als auch für die Evaluation nur noch folgende Änderungsmöglichkeiten – diese jedoch als sehr dringlich an:

1. Stärkung des Stellenwertes einer individuellen ärztlichen Beratung sowohl vor der Entscheidung zum Monitoring als auch bei allen auffälligen Befunden. 

2. Begleitende Evaluation zur Erfassung der Belastungen und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität unter Einbeziehung der Patientinnen 

Begründung:

  1. Hinsichtlich des hohen Stellenwertes der in allen Beschlussfassungen geforderten umfassenden Aufklärung der Frau als Grundlage für ihre Entscheidung über die Screening-strategie (HPV- Test oder jährliche Zytologie) bleiben zu viele wichtige Fragen offen, die zu erheblichen Unsicherheiten führen können und die geforderte Neutralität der Beratungs-inhalte nicht gewährleisten. Unsicherheiten betreffen dabei nicht nur die zu beratenden Frauen, sondern gelten ebenso für die beratenden Ärztinnen und Ärzte; es ist absehbar, dass diese zu Lücken und Fehlinformationen führen können.Umso wichtiger wird damit die gemeinsame Klärung des individuellen Risikos der Frau für die Entstehung eines Zervixkarzinoms aufgrund ihrer gesundheitlichen, partnerschaftlichen und psychosozialen Lebenssituation durch Patientin und Arzt/ Ärztin in einem patientinnenzentrierten Beratungsprozess, der bedarfsweise auch mehrere Gespräche umfassen kann.Diese Beratung muss sowohl vom zeitlichen als auch honorarmäßigen Aufwand her angemessen gewährleistet sein.Ziel der Aufklärung soll die informierte Entscheidung der Patientin sein zur Wahl eines Screeningverfahrens (Zytologie allein oder HPV-Test), welches für 5 Jahre dann alternativlos festgelegt wird. Es ist bekannt und durch Untersuchungen belegt, dass die partizipative Entscheidungsfindung als gemeinsame Entscheidung mit dem Arzt/ der Ärztin von den meisten PatientInnen ausdrücklich gewünscht und wahrgenommen wird. (2,3).Angesichts differierender Angaben für falsch negative HPV-Befunde (4) – besonders für Adenocarcinome- ist eine sichere Grundlage für die Aufklärung über Vor- und Nachteile beider Verfahren und deren mögliche Auswirkungen derzeit aus unserer Sicht nicht ausreichend gegeben und eine informierte Entscheidung der Patientin daher fraglich. Die Gefahr ist damit groß, dass die ärztliche Favorisierung eines Verfahrens – bewusst oder unbewusst- vom Arzt/ Ärztin vermittelt und von der Patientin übernommen wird bzw. ihre Entscheidung unverhältnismäßig beeinflusst.Ebenso besteht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich das geplante Monitoring in seiner Durchführung und Aussage, welche Screeningstrategie hier in Deutschland eine tatsächliche Verbesserung des jetzigen Systems darstellt, als nicht effektiv erweist: bisher haben Frauen den HPV- Test als Zusatzdiagnostik im Zusammenhang mit auffälligen zytologischen Befunden und deren Abklärung vermittelt bekommen oder als fakultative Empfehlung (4) zur erhöhten Sicherheit als zusätzliche Selbstzahler-Leistung (IGEL). Ob und wie die jetzt geplant alternativlose Entscheidung für eine der beiden Screeningverfahren ohne zwischenzeitlich möglichen Wechsel über 5 Jahre von den Frauen akzeptiert und umgesetzt wird, ist weitgehend offen.Es ist sehr wahrscheinlich, dass Frauen weiterhin zusätzlich zum gewählten Screeningverfahren das jeweils andere Verfahren als individuelle Gesundheitsleistung in Anspruch nehmen und damit das Monitoring in seiner Aussage fragwürdig wird.
  2. Der positive Nachweis eines HPV-Befundes als eine sexuell übertragene und übertragbare Infektion bedeutet direkter und stärker als die Mitteilung eines auffälligen zytopathologischen Befundes einen Eingriff in das psychosexuelle Erleben der Frau und in die Paarbeziehung mit möglichen negativen Auswirkungen (6). Diese Befundvermittlung bedarf daher einer ausführlichen, einfühlsamen, patientinnenzentrierten Kommunikation, um Ängste und Irritationen sowie mögliche Partnerschaftskonflikte zu verhindern.Es ist vorstellbar, dass hinsichtlich der bisher in Studien ermittelten und prognostizierten höheren Nachweisrate an HPV-Infektionen gegenüber auffälligen zytomorphologischen Befunden (7 ) die Befundmitteilungen zumindest in der ersten Screeningrunde zu häufigeren Irritationen führen – und damit Belastungen nicht vermindert sondern möglicherweise verstärkt werdenDie individuelle ärztliche Aufklärung auf der Basis einer vertrauensvollen Arzt-Patientinnen-Beziehung ist gerade bei abklärungsbedürftigen Befunden daher unbedingt notwendig und darf nicht schriftlichen Befundmitteilungen überlassen werden.


Ansprechpartnerin
Dr. med. Claudia Schumann
T +49 5551 4774

 

Ansprechpartnerin

Dr. med. Claudia Schumann
T +49 5551 4774

 

Literatur

  1. Brief der AKF-Gynäkologinnen an den GBA vom 06.10.2015 www.akf-info.de
  2. Walter U, Dreier M (2014). Das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz: Ein Schritt zur informierten Entscheidung? In: Gesundheitsmonitor 2014. Böcken J, Braun B, Meierjürgen R (Eds.) Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 12-27.
    Link: Gesundheitsmonitor.pdf
  3. Ziele‐Papier 1: „Inanspruchnahme Krebsfrüherkennung“, Handlungsfeld 1 „Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung“ des Nationalen Krebsplans, 2010
  4. Dominik, S., Klimas, D: .Wie sicher ist der HPV-Test in der Praxis? Frauenarzt 55 (2014) Nr.10, 986-989
  5. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. ( 2008): Interdisziplinäre S2k-Leitlinie für die Prävention, Diagnostik und Therapie der HPV-Infektion und präinvasiver Läsionen des weiblichen Genitale AWMF 015/027
  6. Kirsten McCaffery et al., Testing positive for human papillomavirus in routine cervical screening:examination.of psychosocial impact;
    http://onlinelibrary.wiley.com
  7. http://www.medizin-management-verband.de/pdf/medizin-management-preis- 2014/C_DeutscheBKK-KlinikumWolfsburg_Anlage.pdf, S11, Abb.1

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