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Artikel des Monats Juli 2018

Artikel des Monats Juli 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Weng SC, Chang JC, Yeh MK, Wang SM, Lee CS, Chen YH.

Do stillbirth, miscarriage, and termination of pregnancy increase risks of attempted and completed suicide within a year? A population-based nested case-control study.BJOG. 2018 Jul;125(8):983-990.

BJOG. 2018 Jul;125(8):983-990.

 

In der vorliegenden bevölkerungsbasierten taiwanesischen Kohortenstudie wurde das Suizidrisiko sowie die Suizidalität ein Jahr nach Totgeburt, Fehlgeburt  oder Schwangerschaftsabbruch untersucht und mit dem Risiko einer Frau nach einer Lebendgeburt verglichen. Betrachtet wurden dabei 485 Fälle von versuchtem respektive 350 Fälle von durchgeführtem Suizid aus den Jahren 2001 bis 2011 analysiert. Es wurden dann matched pairs bezüglich des Alters und Jahres der Entbindung gebildet.

Es zeigte sich, dass in der Gruppe der Frauen mit einem Schwangerschaftsverlust die Rate an Suizidversuchen erhöht war, auch die Rate des durchgeführten Suizids war in der Gruppe mit Totgeburt, Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch erhöht im Vergleich zu den Frauen, die eine Lebendgeburt im gleichen Zeitraum hatten. Auch bei Frauen mit der Erfahrung einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch war das Risiko für einen Suizidversuch in dem Jahr danach erhöht.

Die Autoren schließen daraus, dass in einer psychischen Belastungssituation, die mit Schwangerschaftsverlust in Zusammenhang steht, auf die psychische Reaktion in besonderer Weise geachtet werden sollte und sowohl betroffene Frauen als auch Familienmitglieder über mögliche psychische Reaktion aufgeklärt werden sollten.

Aus meiner Sicht eine interessante Arbeit, die sensibilisieren soll für die teilweise erheblichen psychischen Folgen relativ alltäglicher und häufiger gynäkologischer Erkrankungen und Eingriffe.

Friederike Siedentopf, Juli 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Artikel des Monats Juni 2018

Artikel des Monats Juni 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Tjitske R. Zaat et al.

Posttraumatic stress disorder related to postpartum haemorrhage: A systematic review.

European Journal of Obstetrics & Gynecology and Reproductive Biology 225 (2018) 214–220

 

Wann immer eine Geburt durch einen Blutverlust von 500 ml und mehr verkompliziert wird, wird dies als postpartale starke Blutung klassifiziert. Eine starke postpartale Blutung ist eine der Hauptkomplikationen einer Geburt, die im Einzelfall auch zu einer Notfall-Hysterektomie führen kann. In 0,1 bis 0,3 auf tausend Geburten kommt zu einer postpartalen Notfall-Hysterektomie. Die physischen respektive somatischen Auswirkungen auf die betroffenen Frauen im Zuge einer verstärkten peri- bzw. postpartalen Blutung mit oder ohne Notfall-Hysterektomie wurden in letzter Zeit intensiv untersucht, während Zusammenhänge zu posttraumatischen Belastungsstörungen oder allgemeinen psychischen Belastungen kaum Inhalt von Untersuchungen waren. Die globale Inzidenz der verstärkten peri- bzw. postpartalen Blutungen wird auf 1 bis 5 % aller Geburten geschätzt. Damit hat dieses Thema eine große Bedeutung. Patientinnen beschreiben diese Geburtskomplikation als traumatische Erfahrung. Es ist nicht bekannt, ob die verstärkte postpartale Blutung per se ein Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen ist. Solche Aspekte werden im klinisch-geburtshilflichen Alltag aktuell nicht beachtet. Insofern ist der vorgelegte Reviewartikel sehr interessant und beachtenswert. Basierend auf eigenen klinischen Erfahrungen und qualitativen (Vor-)Studien haben die Autoren der Literaturübersicht die Erarbeitung von Empfehlungen für diese Situation angestrebt. In einem systematischen Review wurden die aktuellen Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen starker peri- bzw. postpartaler Blutung mit und ohne Notfall-Hysterektomie und postpartaler posttraumatischer Belastungsstörung erfasst. Die Autoren führten diese Literaturrecherche mit folgendem präventiven Gedanken durch: Wenn die starke postpartale Blutung ein Risikofaktor für die posttraumatische Belastungsstörung ist, sollte dies frühzeitig erkannt werden. Die Kenntnis dieses Zusammenhangs könnte zu einer Reduzierung der Langzeitauswirkungen und sozioökonomischen Probleme, die mit einer posttraumatischen Belastungsstörung verbunden sind, für die Betroffenen führen.  Es wurde eine Literatursuche in acht Literaturdatenbanken durchgeführt, wobei Publikationen einbezogen wurden, die zwischen Januar 1986 und Oktober 2017 veröffentlicht wurden. Es wurden sowohl Manuskripte überprüft, die einen Zusammenhang zwischen starker postpartaler Blutung sowie peripartaler Notfall-Hysterektomie mit einer posttraumatischen Belastungsstörung und/oder postpartalen posttraumatischen Stresssymptomen thematisierten. Insgesamt wurden 1651 Artikel durchgeschaut. 52 Artikel erfüllten die von den Autoren definierten Kriterien für das Volltext-Review. Letztlich blieben aber nur 7 Artikel, die zwischen 2011 und 2017 erschienen sind, für die eigentliche Literatur- bzw. Datenauswertung übrig.  Davon befassten sich 5 Studien mit einem Zusammenhang zwischen schwerer postpartaler Blutung und posttraumatischer Belastungsstörung und 2 Studien mit dem Zusammenhang zwischen Notfall-Hysterektomie und peripartalem posttraumatischen Stress. 3 Studien fanden keine Assoziation zwischen der starken peripartalen Blutung und der Belastungsstörungen, 2 Studien berichteten über ein höheres Risiko für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung oder posttraumatischer Stresssymptome nach starker peripartaler Blutung. Die Ergebnisse zweier weiterer Studien zeigten ein höheres Risiko für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach peripartaler Notfall-Hysterektomie. Wegen der Heterogenität der gefundenen Studien war allerdings eine Meta-Analyse nicht möglich. Basierend auf den Ergebnissen der o.g. sieben Studien scheint ein Zusammenhang zwischen verstärkten bzw. schweren peripartalen Blutungen und posttraumatischer Belastungsstörung zu bestehen, so die Autoren. Außerdem ist es relativ wahrscheinlich, dass eine Assoziation zwischen einer peripartalen Notfall-Hysterektomie und solchen Belastungsstörungen besteht, aber die Evidenz dieser Ergebnisse wird durch die geringe Studienzahl bzw. die geringe Zahl einbezogener Patientinnen limitiert. Möglicherweise ist aber auch die Grenze von 500 ml Blutverlust für die erwähnten psychischen Auswirkungen zu niedrig gewählt, psychische Folgen sind erst bei einem höheren Grenzwert z.B. 1500 oder 2000 ml und einer größeren „Dramatik“ der Situation evident Es erscheint aber plausibel, dass die Notfall-Hysterektomie schweren emotionalen Disstress induziert, und es ist nachvollziehbar, dass diese Erfahrung oft als belastend, sowohl für die betroffene Frau als auch ihren Partner, beschrieben wird, da damit ja der Verlust der Möglichkeit, weitere Schwangerschaften respektive Kinder zu haben, einhergeht. Unter Beachtung der großen Zahl von Frauen, deren Geburt weltweit durch eine verstärkte postpartale Blutung verkompliziert wird, sollte überlegt werden, dass bereits früh auf Symptome einer postpartalen Belastungsstörung bei den betroffenen Wöchnerinnen „gescreent“ wird, um Langzeitauswirkungen auf die mentale respektive psychische Gesundheit der Frauen zu verhindern. Für weitere Untersuchungen empfehlen die Autoren eine einheitliche Definition der Schwere postpartaler Blutungen. Mit prospektiven Studie sollte eine große Fallzahl und ein Langzeit-follow up angestrebt und es sollten validierte Fragebögen oder standardisierte Interviews genutzt werden, so die abschließenden Empfehlungen der Autoren dieses interessanten Reviews.

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

Artikel des Monats Mai 2018

Artikel des Monats Mai 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Poli-Neto OB, Tawasha KAS, Romão APMS, Hisano MK, Moriyama A, Candido-Dos-Reis FJ, Rosa-E-Silva JC1, Nogueira AA.

History of childhood maltreatment and symptoms of anxiety and depression in women with chronic pelvic pain.

J Psychosom Obstet Gynaecol. 2018 Jun; 39(2):83-89.

 

In der brasilianischen Studie sollen die Prävalenz von körperlichem, sexuellem und emotionalem Missbrauch in der Kindheit sowie emotionaler Vernachlässigung bei Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz sowie ihre Assoziation mit der Schmerzsymptomatik, Angst und Depression untersucht werden.

In dieser Fall-Kontroll-Studie mit  154 erwachsenen Frauen waren 77 Frauen Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz und  78 gesunde Frauen. Die Vorgeschichte des Missbrauchs wurde mit dem Childhood Trauma Questionnaire (CTQ), Angst und Depression mit der  Hospital Anxiety and Depression scale (HADS) erhoben. Die Schmerzintensität wurde mit einer visuellen Analogskala erfasst. Anschliessend erfolgte eine subtile statistische Auswertung.

Bei den Ergebnissen dieser Studie zeigte sich eine Prävalenz von schlechter Behandlung im Sinne von  in der Kindheit von  77,9% in der Studiengruppe und 64,9% bei den gesunden Kontrollen  (p = 0.07). Emotionale Vernachlässigung war häufiger bei den Unterbauchschmerzpatientinnen als bei den gesunden Frauen (58.4% versus 41.5%, p = 0.04). Es fand sich eine moderate Korrelation zwischen Angst und Depression und den Scores im  CTQ bei Frauen mit Unterbauchschmerzen. Arbeitslosigkeit (OR = 4.15, 95% CI 1.73-9.94; ORadj =  3.30, 95% CI 1.26-8.55) war unabhängig assoziiert mit dem Vorhandensein von chronischem Unterbauchschmerz.

Die Autoren schließen aus den Resultaten der Studie, dass Missbrauch und Vernachlässigung in der Kindheit bei Frauen mit chronischem Unterbauchschmerz häufiger ist als bei gesunden Frauen. Des Weiteren wurde eine direkte Korrelation zwischen schlechter Behandlung in der Kindheit im Sinne von emotionaler Vernachlässigung sowie Angst und Depression gefunden. Arbeitslosigkeit wurde als ein unabhängiger Faktor für chronischen Unterbauchschmerz identifiziert.

Kommentar:

Die vorliegende Studie liefert einen Beitrag zur Diskussion um die Prävalenz von Missbrauchserfahrungen bei Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz. Bislang wird dieser Einflussfaktor kontrovers diskutiert und es gibt deutlich divergierende Studienergebnisse. Auffallend ist bei dieser Studie jedoch die auch in der Kontrollgruppe sehr hohe Prävalenz von Vernachlässigung und Missbrauch, insofern stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse als verallgemeinerbar interpretiert werden können bei zudem auch relativ kleiner Fallzahl. Auch gibt die Studie keine Hinweise auf die immer noch unklaren Entstehungsmechanismen des chronischen Unterbauchschmerzes. Letztendlich könnte diesbezüglich nur ein prospektiver Studienansatz weiterhelfen.

Friederike Siedentopf, Mai 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Artikel des Monats April 2018

Artikel des Monats April 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Benjamin Tuschy et al.

Evaluation of psychosocial and biological parameters in women seeking for a caesarean section and women who are aiming for vaginal delivery: a cross-sectional study.

Archives of Gynecology and Obstetrics April 2018, Volume 297, Issue 4, pp 897–905

 

Im Zusammenhang mit der steigenden Sectiorate wird auch immer wieder die sog. Wunschsectio diskutiert und postuliert, dass diese einen nicht unerheblichen Anteil an der Zunahme der Kaiserschnitthäufigkeit habe. Unterschiedliche Gründe werden für diese Wahl des Geburtsmodus vermutet, so u.a. Angst vor (Geburts-)Schmerzen, belastende Geburtserfahrungen, Befürchtungen vor ungünstigen Spätfolgen einer vaginalen Geburt u.a.m. Offenbar spielt aber auch das soziale Umfeld eine Rolle beim Entscheidungsprozess für oder gegen eine elektive Sectio. Eine Arbeitsgruppe der Universitäts-Frauenklinik in Mannheim untersuchte nun psychosoziale und biologische Parameter, von denen vermutet wurde, dass sie den Entscheidungsprozess bei Frauen mit Wunschsectio beeinflussen könnten. Sie führten eine prospektive Studie bei 200 Frauen durch, das Zielkollektiv umfasste 93 Frauen, die Kontrollgruppe (Frauen, die eine vaginale Geburt wünschten) 109. Die Frauen erhielten bei der Vorstellung in der Klinik-Schwangerenberatung zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche ein Fragenbogenpaket, das u.a. ihre psychosoziale Belastung (SCL 90R), Persönlichkeitsstruktur, soziale Unterstützung und Ängste (STAI) erfasste. Die Wunschsectio-Gruppe umfasste nur Frauen ohne (geburts-)medizinische Indikationen für den Eingriff, während aus der Kontrollgruppe Frauen mit einer absoluten Sectioindikation ausgeschlossen wurden. Außerdem wurde bei den in die Studie einbezogenen Schwangeren die Haarcortisolkonzentration als Marker für chronischen psychosozialen Stress gemessen, und es erfolgte mit einem Algometer eine Druckschmerzmessung bei allen Teilnehmerinnen.

Leider wurden nur Frauen mit ausreichenden Deutschkenntnissen in die Studie einbezogen, so dass über eine große Gruppe von Migrantinnen keine Aussage getroffen werden kann. Es wurde außerdem alle Frauen, unabhängig von der Parität, einbezogen und auch Frauen, die bereits einen Kaiserschnitt in der Anamnese hatten.

Es zeigt sich, dass die Frauen der Wunschsectiogruppe weniger soziale Unterstützung hatten, einen geringeren Bildungsstand aufwiesen, ängstlicher und weniger extrovertiert waren als die Schwangeren der Kontrollgruppe. Diese Schwangeren des Zielkollektivs wiesen auch höhere Druckschmerzwerte auf. Die Cortisolwerte im Haar, die den Stresswert im letzten Trimenon wiederspiegeln, zeigten zwischen beiden Gruppen keinen signifikanten Unterschied. Die Frauen der Kontrollgruppe hatten in 80% bereits vor der Schwangerschaft die Entscheidung für eine vaginale Geburt getroffen, während es im Zielkollektiv nur 21% waren. Die Autoren berichten, dass die Frauen des Kontrollkollektivs höhere Score-Werte bei der negativen Beurteilung der Geburt zeigten, während die Werte für die Variable „Fehlen positiver Erwartungen“ im Zielkollektiv höher ausfielen. Die Frauen, die sich für eine elektive Sectio entschieden hatten, stuften den Rat des sozialen Umfelds zu medizinischen Aspekten als weniger wichtig ein als die Schwangeren der Kontrollgruppe. Hier gab es insbesondere signifikante Unterschiede bei der Einschätzung der (geringen) Relevanz der Ratschläge von Freunden und Hebammen.

Die Autorengruppe schlussfolgert, dass die Wahl zwischen vaginaler und Kaiserschnittentbindung eine persönliche Entscheidung der Schwangeren ist, die durch affektive und kognitive Komponenten, aber auch durch das soziale Umfeld, d.h. die Ratschläge medizinischer, nichtmedizinischer und familiärer Quellen, beeinflusst wird. Die Autoren sind der Überzeugung, dass eine frühe Entdeckung solcher Schwangerer, die sich für eine Wunschsectio entschieden haben, wichtig ist, weil sich dann noch Möglichkeiten einer Einflussnahme ergeben könnten – dies betrifft, wie die Studienergebnisse zeigten, insbesondere wenig gebildete Frauen ohne medizinische Gründe für eine Sectio mit geringer Unterstützung durch das soziale Umfeld.

Matthias David, April 2018

Prof. Dr. med. Matthias David

Artikel des Monats März 2018

Artikel des Monats März 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Hanschmidt F, Hoffmann R, Klingner J, Kersting A, Stepan H.

Help-seeking Following Termination of Pregnancy after Diagnosis of Fetal Anomaly: Women’s Intentions and Experiences 1 to 7 Years after the Event.

Geburtshilfe Frauenheilkd. 2018 Feb; 78(2):160-166.

 

In einer Leipziger Studie wurden  148 Frauen nachuntersucht, die sich nach der Diagnose einer fetalen Anomalie einem Schwangerschaftsabbruch in der Universitätsklinik unterzogen hatten. Sie füllten zwischen 1 und 7 Jahre nach dem Abbruch einen Selbstbeurteilungsfragebogen aus.

Die Diagnose einer fetalen Anomalie und die schwierigen Umstände, die mit der Entscheidung zusammenhängen, die Schwangerschaft abzubrechen, können eine starke psychische Belastung für betroffene Frauen darstellen. Die Autoren konstatieren, dass bisher  noch relativ wenig darüber bekannt ist, in welchem Maße und wo betroffene Frauen Hilfe für ihre emotionalen Probleme nach einem Schwangerschaftsabbruch bei Diagnose einer fetalen Fehlbildung suchen. Die wichtigsten Endpunkte der Untersuchung waren Absicht, nach Hilfe zu suchen, und tatsächliches Verhalten, um Hilfe zu bekommen.

Der Zusammenhang zwischen soziodemografischen Merkmalen und der Absicht, nach Hilfe zu suchen, wurde mithilfe der logistischen Regressionsanalyse untersucht. Die meisten Frauen berichteten, dass sie Hilfe bei ihrem Partner (91,7%), bei Freunden und/oder der Familie (82,8%) oder im Internet (62,2%) suchen würden. Was das Gesundheitswesen anbetrifft, gaben 50,0% der Frauen an, dass sie bei ihrem Gynäkologen Hilfe suchen würden, und zwischen 43,8 und 47.9% der Frauen berichteten, dass sie bei einer psychologischen Beratungsstelle bzw. bei psychosozialen Fachkräften Hilfe suchen würden. Die wenigsten (21,7%) hatten die Absicht, Hilfe bei Selbsthilfegruppen zu suchen. Es gab einen Zusammenhang zwischen Alter, Einkommen, Region und Religion und der Absicht, Hilfe zu suchen. Von den Teilnehmerinnen mit einer erhöhten psychischen Belastung gaben 23,8% an, dass sie niemals ihre emotionalen Probleme mit einer medizinischen Fachkraft diskutiert hätten.

Fazit: Die gezogenen Schlussfolgerungen der Autoren sind, dass Gynäkologen zu den bevorzugtesten Gesundheitsfachkräften gehören, mit denen Frauen ihre psychologischen Probleme nach einem Schwangerschaftsabbruch bei Diagnose einer fetalen Fehlbildung besprechen. Gynäkologen sollten daher aktiv an der Früherkennungsuntersuchung, diagnostischen Beurteilung und Überweisung von betroffenen Frauen beteiligt sein. Aus meiner Sicht kann man die Schlussfolgerungen dieser interessanten Studie noch erweitern: der überwiegende Teil der betroffenen Frauen sucht Unterstützung bei ihrem Partner, unklar ist jedoch wie diese mit dem Ansinnen umgehen und wie die dadurch evtl. bestehende Belastung in der Beziehung verarbeitet wird. Dies weiter zu untersuchen, wäre lohnenswert und es könnten sich daraus für die konkrete Betreuung neue Aspekte ergeben. Dass ein Viertel der stärker belasteten Frauen niemals mit einer medizinischen Fachkraft gesprochen hat, ist dagegen erschreckend und sollte in der Konsequenz bedeuten, dass die Frage nach der psychischen Belastung nach einem Schwangerschaftsabbruch beispielsweise bei der Nachuntersuchung in der Praxis oder Klinik unbedingt aktiv ärztlicherseits thematisiert werden sollte, um letztlich die Risikogruppen einer ungünstigen Verarbeitung zuverlässig zu erkennen.

Friederike Siedentopf, März 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Artikel des Monats Februar 2018

Artikel des Monats Februar 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

James Keasley et al.

Adverse effects of exposure to armed conflict on pregnancy: a systematic review.

BMJ Glob Health 2017;2:e000377. doi:10.1136/bmjgh-2017-000377

 

Weltweit hat die ökonomisch bedingte, aber auch die durch militärische Auseinandersetzungen hervorgerufene Migration in die westlichen Länder stark zugenommen. In der Bundesrepublik Deutschland leben aktuell laut den vom Statistischen Bundesamt im September 2016 veröffentlichten Daten 81,4 Millionen Menschen, davon haben 17,2 Millionen einen Migrationshintergrund (definiert als selbst migriert oder direkt von zugewanderten Personen abstammend), das entspricht derzeit etwa 21,2 % der Gesamtbevölkerung. Zahlreich geburtshilflich-epidemiologische Untersuchungen, die in den letzten Jahren international publiziert wurden, haben sich mit den gesundheitlichen Folgen der Migration oder der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit beschäftigt. Dabei stand häufig der „Risikofaktor Zuwanderung“ im Rahmen des geburtshilflichen Managements im Mittelpunkt. Grundtenor der meisten Studien ist, dass beispielsweise mit der Migration verbundene ungünstige sozio-ökonomische Umstände zu deutlich mehr Frühgeburten, einer erhöhten perinatalen Mortalität oder einer erhöhten Frequenz operativer Entbindungen bei Migrantinnen führen können. Die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und die sich daraus ergebende große Flüchtlingszahl haben die Autorengruppe um Kaelsley dazu angeregt, eine Literaturreche in MEDLINE, Web of Science und Embase durchzuführen. Es wurden 2.161 Studien einbezogen, die zwischen 2009 und Otkober 2016 publiziert wurden. 13 von 2.161 Studien erfüllten die Einschlusskriterien, wobei die Autoren insgesamt einen geringen Evidenzgrad der gefundenen Studienergebnisse feststellen mussten, was nicht überrascht. Sie teilen die folgenden wesentlichen Ergebnisse mit: 1.) Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen mütterlicher Exposition eines bewaffneten Konflikts und einer erhöhten Rate von Kindern mit zu geringem Geburtsgewicht (low birth weight). 2) Eine begrenzte Evidenz liegt vor für einen Zusammenhang dieser Exposition und häufigeren Fehl-, Tot- und Frühgeburten. 3.) Eine geringe Evidenz war festzustellen für eine Assoziation dieser Exposition mit einer erhöhten Häufigkeit anderer negativer Auswirkungen auf die Schwangerschaft wie z.B. die Rate kongenitaler Fehlbildungen. Keasley et al. geben für die Betreuungspraxis von schwangeren Flüchtlingsfrauen aus Krisengebieten die Empfehlung, eine intensivierte Ultraschall-Überwachung durchzuführen, um zumindest rechtzeitig eine fetale Wachstumsretardierung zu erkennen und ggf. Interventionsmaßnahmen einleiten zu können.

Matthias David, Februar 2018

Prof. Dr. med. Matthias David

Artikel des Monats Januar 2018

Artikel des Monats Januar 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Yonkers KA, Simoni MK.

Premenstrual disorders.

Am J Obstet Gynecol. 2018 Jan;218(1):68-74

 

Es handelt sich um einen sehr gut strukturierten Reviewartikel, der Begriffsdefinitionen sowie Behandlungsoptionen zu Prämenstruellen Störungen umfasst.

Unter dem Begriff der Prämenstruellen Störungen werden das prämenstruelle Syndrom, die prämenstruelle dysphorische Störung sowie die prämenstruelle Verschlechterung anderer medizinischer Symptome (‘premenstrual worsening of another medical condition`) zusammengefasst.

Das prämenstruelle Syndrom wird folgender Maßen definiert:

  • -physische und/oder emotionale Symptome
  • -die Symptome sind in der Lutealphase des Zyklus präsent und nehmen nach Einsetzen der Menstruation ab
  • -während des Zyklus gibt es eine symptomfreie Woche
  • -die Symptome gehen mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einher.

Vom prämenstruellen Syndrom sind etwa 20-30% aller Frauen betroffen, die Prävalenz der prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDD) wird auf etwa 1,2 bis 6,4% geschätzt. Letztendlich sind die Ursachen für die verschiedenen Symptome unklar, angenommen wird jedoch eine spezifische Reaktion der betroffenen Frauen auf die hormonellen Schwankungen, die mit dem natürlichen Menstruationszyklus einhergehen sowie Serotoninmangel, die die Symptome auslösen. Zur Diagnostik wird nach einer sorgfältigen Anamneseerhebung ein tägliches Symptom-Tagebuch über 2 Menstruationszyklen empfohlen. Zur Therapie gibt es mittlerweile sehr viele Studien. Günstiger Einfluss wird Life-style-Faktoren wie Sport und einer kohlenhydratreichen Diät (die wiederum den Serotoninmangel ausgleichen soll) sowie kognitiver Verhaltenstherapie zugeschrieben. Zu den effektivsten   pharmakologischen Behandlungsoptionen gehören Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) sowie orale Kontrazeptive mit einem verkürzten oder gar keinem hormonfreien Intervall. Für die SSRI-Gaben gibt es verschiedenen Schemata (nur in der Lutealphase oder während des gesamten Zyklus). Der Wirkungsmechanismus scheint anders zu sein als beim Einsatz der Medikamente zur Behandlung einer Depression. Eingesetzt werden die SSRI vor allem bei PMDD, aber auch bei weniger ausgeprägten psychischen Symptomen kommt es zur Verbesserung der Symptomatik.

Auch komplementärmedizinische Ansätze wurden untersucht und vorgestellt. Zum Einsatz kommen Agnus castus, Gingko biloba, Vitamin B6, Calciumsubstitution, Johanneskraut sowie Nachtkerze.

Frauen, die auf keine der angesprochenen Therapien ansprechen, können ggf. von einer GnRH-Analoga-Therapie oder, als Ultima ratio, auch einem chirurgischen Ansatz (beidseitige Salpingooophorektomie) profitieren. Sie sind dann konfrontiert mit den Nachteilen, die diese mit sich bringen.

Friederike Siedentopf, Januar 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Artikel des Monats Dezember 2017

Artikel des Monats Dezember 2017

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Theresa Beddig, Christine Kühner.

Aktuelle Aspekte zur Prämenstruellen Dysphorischen Störung – Ein Überblick.

Psychother Psych Med 2017; 67: 504–513

 

Über vorübergehende affektive, kognitive, oder körperliche Veränderungen um die Zeit der Menstruationsblutung wird von den meisten Frauen im reproduktiven Alter berichtet, so dass diese bis zu einem gewissen Grad als physiologisch gelten können. Meist werden diese Symptome als mild und kaum beeinträchtigend wahrgenommen. Wenn der Monatszyklus regelmäßig mit Beschwerden einhergeht und das Vollbild einer PMDS nicht erfüllt ist, könnte ein prämenstruelles Syndrom (PMS) vorliegen. Als Prämenstruelle Dysphorische Störung (PMDS) wird ein zyklusabhängiges Symptombild mit den Hauptmerkmalen Stimmungslabilität, Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit und Angstzustände definiert, das bei Frauen im gebärfähigen Alter auftreten kann. Die Symptome können schon nach dem Eisprung beginnen, sind in der Regel kurz vor der Menstruation am stärksten und bilden sich innerhalb weniger Tage nach Menstruationsbeginn zurück. In den 1930er Jahren wurden von R. T. Frank erstmals prämenstruelle Beschwerden als klinische Einheit beschreiben; 1953 wurde dieses Krankheitsbild von Greene und Dalton als prämenstruelles Syndrom bezeichnet. Mitte der 1990er Jahre wurde es in „Prämenstruelle Dysphorische Störung“ umbenannt.

Ob es sich bei der PMDS tatsächlich um eine behandlungsbedürftige psychische Störung handelt, wurde lange Zeit kontrovers diskutiert: „Befürchtet wurden u. a. eine Stigmatisierung von vielen Frauen als psychisch krank, die Pathologisierung natürlicher weiblicher Prozesse, eine schlechtere Stellung von Betroffenen in rechtlicher Hinsicht, z. B. in Sorgerechts-Prozessen, und eine Zunahme von Stereotypen über „launische“, „reizbare“ Frauen…“. Eine Reihe von Studien legen allerdings nahe, dass es sich bei der PMDS um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt.  Die Autoren des Reviews sehen durchaus Vorteile, die sich aus der Diagnosezuordnung für betroffenen Frauen ergeben: höhere Akzeptanz des Krankheitsbildes in der Öffentlichkeit, verbesserte Möglichkeiten zu dessen Erforschung, eine Verbesserung der Kenntnis von geeigneten Therapieansätzen, verbesserte evidenzbasierte Versorgung. Im Artikel werden die Diagnostik, die Häufigkeit, der Verlauf und Comorbiditäten beschrieben. Auch zu möglichen Ursachen wird Stellung genommen, wobei hormonelle Störungen, zyklusabhängige Fluktuationen des Serotoninsystems, Stresserleben, bestimme psychische Einflussfaktoren (z.B. ruminatives Grübeln, erhöhte Angstsensitivitäts- und Neurozitismuswerte) sowie eine genetische Überlappung mit depressiven Störungen diskutiert werden. Die Autoren geben auch Behandlungsempfehlung: 1. Medikamentös: Einsatz von serotonerg wirksamen Substanzen (SSRI)und „HRT“ (Ovulationshemmer); 2. Psychotherapie: Verhaltenstherapie, Achtsamkeits- und Akzeptanz-basierte Interventionen; 3. Veränderung von Lebensgewohnheiten (regelmäßige sportliche Betätigung, gesunde Ernährung, Entspannungsverfahren, soziale

Unterstützung oder Stressreduktion). Die Autoren schließen ihren Beitrag dazu allerdings mit folgendem Resümee: „Die Datenlage zur Wirksamkeit von Pharmakotherapie und Psychotherapie ist derzeit noch unzureichend, sodass auf deren Basis keine definitive Therapieempfehlung für die Praxis gegeben werden kann…“.

Matthias David, Dezember 2017

Prof. Dr. med. Matthias David

Artikel des Monats November 2017

Artikel des Monats November 2017

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Marino JL, Saunders CM, Hickey M.

Sexual inactivity in partnered female cancer survivors.

Maturitas. 2017 Nov; 105:89-94.

 

In der vorliegenden australischen Studie wird die sexuelle Aktivität in einer Studienpopulation von weiblichen Krebsüberlebenden, die in einer Partnerschaft leben, untersucht. Es ist ein selektiertes Kollektiv, da Patientinnen befragt wurden, die eine spezialisierte Nachsorgesprechstunde nach Krebserkrankung mit menopausaler Symptomatik aufsuchten. Die Untersuchung ist interessant, da sie eine Lücke füllt: es gibt wenig Kenntnisse zur sexuellen Aktivität nach einer Krebserkrankung. Als Instrumente wurden der Fallowfield’s Sexual Activity Questionnaire, Lebensqualitätsfragebögen (die Functional Assessment of Cancer Therapy General, Breast Cancer, und Endocrine Symptom Skalen), und die Greene Climacteric Scale eingesetzt. Verglichen wurden die Ergebnisse der sexuell aktiven Frauen mit denen der inaktiven Studienteilnehmerinnen. Insgesamt wurden 316 Frauen befragt. Die meisten Studienteilnehmerinnen waren Brustkrebsüberlebende (n=268, 85%) und waren sexuell aktiv (n=227, 72%).  Diejenigen Frauen, die nicht sexuell aktiv waren (n=89, 28%), waren im Vergleich etwas älter als die aktiven (53.1v 51.0 years, p=0.049), aber sie unterschieden sich nicht hinsichtlich des Menopausenstatus, der Zeit nach der Krebsdiagnose oder der stattgehabten Behandlung (Chemotherapie, Anti-Östrogen-Therapie oder menopausaler Hormontherapie). Die angegebenen Hauptgründe für sexuelle Inaktivität waren der Verlust an Interesse an Sex (78%) und zu müde zu sein (44%). Diejenigen, die nicht sexuell aktiv waren, waren auch eher unzufrieden mit ihrem Sexualleben (adjusted odds ratio (aOR) 3.52, 95% CI 1.66-7.48) und hatten das Interesse an Sex verloren (aOR 2.12, 95% CI 1.22-3.67). Verglichen mit den sexuell aktiven Frauen fühlten sich die sexuell inaktiven Frauen eher sexuell unattraktiv oder unfähig, sich als Frau zu fühlen (aOR 2.51, 95% CI 1.01-6.24 resp. aOR 2.21, 95% CI 1.32-3.71) und waren eher gestört durch Gewichtsveränderungen, eher bewusst in Bezug auf ihre Kleiderwahl und durch Haarverlust beeinträchtigt (resp. aOR 1.84, 95% CI 1.10-3.05; aOR 2.75, 95% CI 1.63-4.64; aOR 1.85, 95% CI 1.04-3.29). Die sexuell inaktiven Frauen erreichten niedrigere Werte in der Brustkrebs-bezogenen Lebensqualität, aber unterschieden sich nicht in der körperlichen, sozialen oder funktionellen sowie der Menopause-bezogenen Lebensqualität. Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und vaginale Trockenheit waren in beiden Gruppen gleich häufig vertreten (resp. sexuell inaktiv 45.5% v. aktiv 38.3%, aOR 1.28, 95%CI 0.75-2.18; 48.8% v. 49.5%, aOR 0.94, 95% CI 0.57-1.56).

Schlussfolgerungen: Über ein Viertel aller in einer Partnerschaft lebenden krebsüberlebenden Frauen war in dieser Untersuchung sexuell inaktiv. Das ist deutlich mehr als in altersgematchten Vergleichsgruppen, bei denen Werte von 13 bis 17% erzielt werden. Die sexuell inaktiven Frauen waren eher unzufrieden mit ihrem Sexualleben, fühlten sich sexuell weniger attraktiv und waren eher besorgt bezüglich ihres Erscheinungsbildes. Die Gründe für die sexuelle Inaktivität waren multifaktoriell und komplex, dabei ist es interessant, festzustellen, dass das Vorkommen von vaginaler Trockenheit und Dyspareunie in beiden Gruppen gleich war. Die Autoren schließen daraus, dass Interventionen, die die sexuelle Inaktivität beeinflussen sollen, nicht auf die Behandlung dieser körperlichen Symptome limitiert werden sollten, sondern letztlich deutlich komplexere Behandlungsansätze erfordern.

Aus meiner Sicht sind hier psychosomatische Interventionen ein möglicher Ansatz. Voraussetzung ist, dass die sexuelle Aktivität überhaupt Thema des Arzt-Patientinnen-Gesprächs im Rahmen der regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen ist und aktiv erfragt wird.

Friederike Siedentopf, November 2017

PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Artikel des Monats Oktober 2017

Artikel des Monats Oktober 2017

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Sophia Chae et al.

Reasons why women have induced abortions: a synthesis of findings from 14 countries.

Contraception Volume 96, Issue 4, October 2017, Pages 233-241

 

Es wurden repräsentative Daten aus 14 Ländern, davon neun sog. Entwicklungsländer, ausgewertet, wobei auf offizielle Statistiken, Registerdaten und populationsbasierte Studien zurückgegriffen wurde. Daten aus Deutschland sind nicht darunter. Die ausgewerteten Daten stammten aus den Jahren 2004 bis 2011. Für jedes Land wurden die Hauptgründe für einen Schwangerschaftsabbruch berechnet. Soweit angegeben, fanden auch soziodemographische Angaben wie Alter, Bildung, Familienstand u.a. Berücksichtigung. Die angegebenen Gründe für eine Abruptio wurden in sieben Kategorien unterteilt: Aufschieben der Schwangerschaft auf späteren Zeitpunkt, abgeschlossene Familienplanung, sozioökonomische Gründe, Probleme in der Partnerschaft, zu jung für eine Schwangerschaft, Risiken für die mütterliche Gesundheit und medizinische Risiken in Bezug auf den Fetus, andere Gründe.

Der in den meisten einbezogenen Ländern genannte Hauptgrund für einen Schwangerschaftsabbruch waren sozioökonomische Gründe und Begrenzung der Kinderzahl („Geburtenkontrolle“). Häufig haben die betroffenen Frauen mehrere Gründe für die Entscheidung angegeben. Unter Beachtung der Limitation dieser Datenauswertung von 14 Ländern weisen die Autoren darauf hin, dass Frauen offenbar sehr unterschiedliche Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch haben können. Diese scheinen zwischen den Ländern etwas zu variieren und manchmal auch innerhalb eines Landes je nach soziodemographischen und kulturellen Einflussfaktoren, der Qualität der Gesundheitsversorgung, gewünschter Kinderzahl sowie Zeitpunkt und Abstand der Geburten, dem Grad der „sozialen Stigmatisierung“ sowie der vorhandenen Unterstützung in der Schwangerschaft. Die Untersuchungsergebnisse zeichnen ein weltweites Bild der Umstände, die die Entscheidung der Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch und die potentiellen Konsequenzen für eine ungewollte Schwangerschaft beeinflussen. Wegen der möglichen Folgen einer ungewollten Schwangerschaft und deren Abbruch auch für das weitere Leben der Betroffenen empfehlen die Autoren für weitere Untersuchungen eine vertiefende Eruierung der persönlichen, sozialen, ökonomischen und medizinischen Faktoren, die zu einem Schwangerschaftsabbruch führen.

In diesem Zusammenhang soll auf zwei aktuelle Arbeit im Kontext des o.g. Artikels hingewiesen werden: (1) Charlotte Kanstrup et al. Women’s reasons for choosing abortion method: A systematic literature review. Scandinavian Journal of Public Health 2017; 1–11; DOI: 10.1177/1403494817717555; (2) Franz Hanschmidt et al. Abortion Stigma: A Systematic Review.  Perspectives on Sexual and Reproductive Health 2016; 48 (4) 169-177.

Matthias David, Oktober 2017

Prof. Dr. med. Matthias David

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