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Nicht-Invasive Pränataldiagnostik (NIPD) – 2013

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DGPFG-Stellungnahme
Nicht-Invasive Pränataldiagnostik (NIPD)
19.12.2013

„Ihr Kinderlein kommet“ – wie gilt das im Jahre 2014?

Die neuen Methoden der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) können Segen oder Fluch sein, sie berühren das gesellschaftlich relevante Thema „Inklusion“ – so die aktuelle Stellungnahme der DGPFG zum Fest der Geburt.

Hamburg/Hannover, 19. Dezember 2013

„Die neuen Bluttests zur pränatalen Diagnostik beinhalten janusköpfig Chancen und Risiken. Auch wenn es für die einzelne Schwangere ein Segen sein kann, früh und ungefährlich eine sichere Aussage darüber zu erhalten, ob ihr Kind eine Trisomie hat oder nicht, kann diese neue Technik gefährliche Folgen haben für den Umgang mit Schwangerschaft und sich negativ auswirken auf das gesellschaftliche Klima gegenüber Behinderung“, konstatiert die Frauenärztin Dr. Claudia Schumann, Vorstandsmitglied der DGPFG (Deutsche Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe).

NIPD: Sichere Aussagen ab der 10. Schwangerschaftswoche
Die neuen Methoden der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) versprechen sichere Aussagen ohne Gefährdung der Schwangerschaft: Durch einen Test aus dem Blut der werdenden Mutter kann schon ab der 10. Schwangerschaftswoche erkannt werden, ob das erwartete Kind eine Trisomie hat, das heißt eine der häufigsten genetisch bedingten Behinderungen. Der Segen: Frühe Entwarnung für viele Frauen, die sich bislang wochenlang Sorgen machen, und außerdem Rückgang der Fehlgeburten, die durch Fruchtwasserpunktionen „auf Verdacht“ verursacht wurden. Der Fluch: Gerade die Ungefährlichkeit der Methode kann zum genetischen „Screening“ aller Ungeborenen führen, und in der Folge zu einer Geburts-Verhinderung von Menschen mit Trisomie. Diese Option der „Selektion“ kann sich auf andere genetische Abweichungen erweitern. Es ist leicht vorstellbar, dass diese Entwicklung zur Diskriminierung von Behinderung beiträgt und die gültige Verpflichtung zur Inklusion aushöhlt.

Vorgeburtliche Untersuchung ohne Risiken einer Fruchtwasserentnahme
Die meisten werdenden Mütter wünschen sich ein gesundes Kind. „Guter Hoffnung sein“ hieß das früher. Die Hoffnung wurde in den letzten 40 Jahren durch immer feinere Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik abgelöst. Mithilfe von Ultraschall und Bluttests kann derzeit ab der 12. Schwangerschaftswoche die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie des Ungeborenen berechnet werden. Ist sie hoch, kann die endgültige Diagnose bislang nur mithilfe einer Fruchtwasserentnahme gestellt werden, da man nur so an die kindlichen Chromosomen kommt. Zu Recht haben viele Frauen Angst vor diesem Eingriff, denn es besteht ein Risiko von 0,5 bis 1 Prozent, dass dadurch eine Fehlgeburt ausgelöst wird. Das bedeutet zum Beispiel konkret: Wenn bei 300 Schwangerschaften, bei denen ein Trisomie- Risiko von 1 : 300 besteht, eine Fruchtwasserpunktion durchgeführt wird, wird damit das eine Kind mit Trisomie erkannt, bei 299 Fällen gibt es eine Entwarnung, aber in 2 bis 3 Fällen kommt es unnötig zur Fehlgeburt. Da die Fruchtwasseruntersuchung erst ab der 14./15. Woche gemacht werden kann, hat die Schwangere bis dahin schon eine lange Zeit der Aufregung hinter sich.

Die neue nicht-invasive Pränataldiagnostik beruht auf einer sensationellen Erkenntnis: Im mütterlichen Blut schwimmen schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft fetale Chromosomenanteile, die man extrahieren und dann direkt untersuchen kann, das heißt man hat jetzt völlig ungefährlich Zugriff auf das fetale Erbgut.

Neue Methoden werben für frühen Einsatz bei allen Schwangeren
In Deutschland wurde als erstes im Sommer 2012 der Praenatest eingeführt, inzwischen gibt es den Panorama-Test und zuletzt den Harmony-Test. Die Namen sprechen für sich. Während anfangs die NIPD erst ab der 12. Woche eingesetzt werden sollte und nur in sogenannten Risikogruppen – Alter der Mutter über 35 Jahre, auffällige Voruntersuchungen – werben die neuen Methoden für einen frühen Einsatz bei allen Schwangeren. Parallel dazu sinken die Preise, von anfangs circa 1.400 Euro auf jetzt noch knapp 500 Euro. Einige Krankenkassen übernehmen auf Antrag die Kosten. Nach den bislang vorliegenden Studien sind die Tests tatsächlich sehr verlässlich, die Fehlerrate liegt unter 1 Prozent. Das heißt, es ist extrem selten, dass eine Trisomie übersehen oder falsch diagnostiziert wird. Zwar wird bei auffälliger NIPD derzeit noch eine Fruchtwasserpunktion empfohlen um die Diagnose zu sichern, aber die Indikation dafür wird viel seltener gestellt werden.

Kritik: Druck von Außen und Gefahr der Zunahme von Schwangerschaftsabbrüchen
Kritische Stimmen warnen: Der Segen ist teuer erkauft! Gerade weil die Untersuchung so harmlos ist, kann es schnell zu einem breiten Einsatz führen, zu einem allgemeinen Screening auf „Abweichung“ und in der Folge zu vielen Schwangerschaftsabbrüchen. Denn bekannt ist, dass mehr als 95 Prozent der Frauen sich bei der Diagnose „Trisomie“ für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden; das wird bei früher Entdeckung eher zunehmen. Dr. Wolf Lütje, Frauenarzt und Präsident der DGPFG, fragt: „Was kommt als Nächstes, welche Abweichung wird noch feststellbar, in welche Entscheidungs-Situationen werden Frauen in Zukunft hineingeraten? Darf eine Frau noch einfach guter Hoffnung sein, oder wird der Druck auf Schwangere zunehmen, Pränataldiagnostik in Anspruch zu nehmen? Geraten auch wir Frauenärzte und –ärztinnen immer mehr unter Druck, alles anbieten zu müssen? Wird es eine Diskriminierung der Dennoch-Geborenen und ihrer Mütter geben:

„So etwas muss es doch nicht mehr geben?“ Fragen, die nicht nur die werdenden Eltern angehen, sondern breiter gesellschaftlich diskutiert werden müssen.

Ziel der DGPFG: Inklusion für Ungeborene gesellschaftlich verankern!
Für die DGPFG fordert Dr. Wolf Lütje: „Ziel muss sein, das Gebot der Inklusion auch für Ungeborene gesellschaftlich so zu verankern, dass Schwangere wirklich selbstbestimmt entscheiden können, was sie von ihrem Kind wissen wollen.“ In diesem Sinn will die DGPFG das Thema mehr in die Öffentlichkeit tragen, und sie will die Erarbeitung einer neuen Leitlinie zur Pränataldiagnostik anstoßen.

Ansprechpartnerin
Dr. med. Claudia Schumann
T +49 5551 4774

 

Ansprechpartnerin

Dr. med. Claudia Schumann
T +49 5551 4774

 

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