Geschlechtskrankheiten“, heute STI: sexuell transmitted infections. Das klingt besser. Aber auch wenn die neue Bezeichnung nicht mehr den etwas anrüchigen Beiklang hat, sind die Erkrankungen eher etwas, das man für sich behält. Wer sagt schon gerne, dass er/sie einen Tripper hat oder eine Lues, sich gar mit HIV angesteckt hat d. h. HIV-positiv ist? Starker Ausfluss führt ebenso wie harmlosere Infektionen im Intimbereich (z.B. Pilz) bei vielen Frauen zu beunruhigenden Phantasien und Fragen: „Woher habe ich das? Habe ich etwas falsch gemacht? Oder hat etwa mein Partner…? Muss der sich auch behandeln? Wie sage ich es ihm?“
Die Scham mag mit der engen Verbindung von Sexualität, das heißt einem sehr intimen Bereich, und der Infektion zusammenhängen. Genauso wenig, wie man offen über sexuelle Probleme spricht, so wenig werden auch Gedanken und Befürchtungen zu Erkrankungen „im Intimbereich“ angesprochen und ausgetauscht.
Das macht es so wichtig, bei STI neben der guten Diagnostik und Therapie auch gut zu kommunizieren und die richtigen Worte zu finden. Ein wesentliches Ziel dabei ist, die Infektionen aus der „Schmuddelecke“ in den Alltag zu bringen. Die Botschaft muss sein: „Man kann über Chlamydien reden wie über eine Erkältung. Beides wird von anderen Infizierten übertragen – Chlamydien über Sex, Grippeviren über das Einatmen – wo ist das Problem?“ STI hat wenig mit mangelnder Hygiene oder mit Promiskuität zu tun: „Man kann sich auch anstecken, wenn man sich täglich duscht; auch ohne HWG (häufig wechselnden Geschlechtsverkehr) kann man betroffen sein.“
Es ist für die ärztliche Praxis wichtig, die Vorbehalte und Vorurteile in Bezug auf STI zu kennen, sie direkt anzusprechen und möglichst zu entkräften. Nur wenn man miteinander offen und vorurteilsfrei über die möglichen Infektionswege sprechen kann, lassen sich auch die nächsten Schritte – Prävention, Symptome, Therapie, Kontrolle, Partnerbehandlung – verständlich machen, und nur so werden sie akzeptiert.
Überblick: Was sind und welche Folgen haben STI?
Unter STI versteht man Infektionen, die „auch oder hauptsächlich durch sexuelle Kontakte übertragen werden können“ [1]. Verursacht werden sie von Bakterien, Viren, Pilzen und Protozoen. Chlamydien und – in geringerem Ausmaß – Gonorrhoe zählen zu den häufigsten bakteriellen STI, während Syphilis/Lues deutlich seltener vorkommt, allerdings mit leicht ansteigender Tendenz in den letzten Jahren. Zu den häufigsten viralen Infektionen gehören HPV-, Herpes genitalis- und Hepatitis-, hierzulande seltener HIV-Infektionen. Die noch vor 20 bis 30 Jahren häufig zu findende Trichomonaden- Infektion, ausgelöst durch das Protozoon Trichomonas gondii, wird derzeit zumindest in Deutschland kaum mehr diagnostiziert. Auch Filzläuse und Krätze können bei intimem Kontakt übertragen werden und lokal unangenehme Beschwerden verursachen. Vaginale Pilzinfektionen und die bakterielle Vaginose werden in der Praxis nur im weitesten Sinne zu den STI gezählt: Sie können zwar auch sexuell übertragen werden, haben aber meist andere Ursachen (z. B. treten sie nach Antibiotika- Einnahme auf).
Die mit STI verbundenen Beschwerden und Erkrankungen können auf sehr unterschiedliche Weise die (sexuelle) Gesundheit beeinträchtigen. Sie können lange ohne jegliche Beschwerden auftreten (z. B. HPV Infektion am Muttermund) oder akute lokale Beschwerden auslösen (vaginale Blutung, Ausfluss, Juckreiz). Manche Infektionen wie Chlamydien und GO können zu gravierenden Erkrankungen führen (bei der Frau vor allem zu aufsteigenden Unterleibsinfektionen, verbunden mit der Gefahr der Sterilität) und unbehandelt das Leben bedrohen (HIV mit der Folge von AIDS, HPV mit der Folge von Gebärmutterhalskrebs).
Die große Breite der möglichen Folgen macht es noch verständlicher, dass Frauen sich oft große Sorgen machen, wenn es „juckt und brennt“: Unabhängig vom Kontext Sex fürchten sie um ihre Gesundheit.
Was versteht man unter „sexueller Gesundheit“ – und wer kümmert sich darum?
Sexuelle Gesundheit ist mehr als die Freiheit von sexuellen Infektionen. Die WHO hat dazu 1975 eine gleichzeitig umfassende und komplizierte Definition geliefert: „Sexuelle Gesundheit ist die Integration der somatischen, emotionalen, intellektuellen und sozialen Aspekte sexuellen Seins auf eine Weise, die positiv bereichert und Persönlichkeit, Kommunikation und Liebe stärkt. Grundlegend für dieses Konzept sind das Recht auf sexuelle Information und das Recht auf Lust.“ Das bedeutet aber auch: Sich im Intimbereich wohl zu fühlen, Sex ohne Schmerz und ohne Angst vor möglicher Erkrankung zu genießen sowie eine gute Untersuchung und ausreichende Behandlung bei Diagnose zu erhalten, sind wichtige Aspekte der sexuellen Gesundheit!
Die STI gehören historisch in den Bereich der Dermato-Venerologie, das entsprechende Facharzt-Gebiet umfasst auch heute noch die „Haut und Geschlechtskrankheiten“. So ist es kein Wunder, dass die Präsidenten der Fachgesellschaft „Deutsche STI-Gesellschaft – Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit“ (DSTIG), hervorgegangen aus der 1902 gegründeten „Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ (DGBG), bislang immer Hautärzte waren. Derzeitiger Präsident ist der Bochumer Dermatologe Prof. Norbert Brockmeyer, der sich sehr intensiv für die Thematik und dabei auch für fachübergreifende Kooperation und Fortbildung einsetzt. Ein wichtiges Produkt dieser Arbeit ist der empfehlenswerte Leitfaden STI-Therapie „für die Kitteltasche“, der leider derzeit vergriffen ist, aber bald neu überarbeitet erscheinen soll (persönliche Information DSTIG).
Im Vorstand der DSTIG ist die Gynäkologie nur spärlich vertreten. Dazu passt, dass die STI in der frauenärztlichen Praxis eher ein Stiefkind-Dasein führen, obwohl das Thema „Sexualität“ ebenso wie die genitalen Infektionen eigentlich für Frauenärzte/- innen zentral ist. Die Mehrzahl der Frauen wendet sich bei sexuellen Problemen, gleichermaßen wie bei Unterleibsproblemen, an ihren Frauenarzt/-ärztin. Deshalb ist es so wichtig, dass diese nicht nur bei Pilzinfektionen, sondern auch bei Gonorrhoe Bescheid wissen.
Typische Situationen in der gynäkologischen Praxis
Frauenärzte/-innen betreuen Mädchen und Frauen von der Kindheit an bis ins hohe Alter. Dementsprechend wird wie folgt ein chronologischer Zugang geschildert. Es beginnt mit der HPV-Impfung: Inzwischen ist das empfohlene Alter für die Impfung so weit nach vorne verlegt worden, dass typischerweise die Kinderärzte/-innen die Impfung übernehmen. Dennoch bleibt sie auch in der frauenärztlichen Praxis Thema; oft fragen Mütter, ob ihre Tochter gegen Gebärmutterhalskrebs geimpft werden soll. Hier besteht, ebenso wie in der Mädchen- Sprechstunde, die Chance der sachlichen Aufklärung: Sex macht keinen Krebs! Aber beim Sex kann man sich mit Viren anstecken, die Entzündungen am Muttermund verursachen können. Meist heilt das von alleine wieder aus, aber im Ausnahmefall kann die Infektion zu schweren Zellveränderungen bis hin zum Krebs führen. Ziel eines solchen Gesprächs ist es, Sex nicht zum Krebsrisiko zu stilisieren, die möglichen Risiken dabei aber dennoch nicht zu verharmlosen und vor allem den Gedanken des „aktiven Schutzes“ einzuführen. Inwieweit sehr junge Mädchen tatsächlich informiert entscheiden können, ob sie nach entsprechender Aufklärung der Impfung zustimmen, scheint mir aufgrund meiner praktischen Erfahrung fraglich. Nach aktueller Studienlage überwiegen die positiven Effekte der Impfung die Nebenwirkungen. Im Laufe der Jahre habe ich mir deshalb eine aktive „Pro-Impf“-Beratung angewöhnt und damit bewusst meiner ärztlichen Fürsorge einen höheren Stellenwert zugeordnet als der der Selbstbestimmung [2].
Die HPV-Impfung ist gynäkologisches Standard-Thema geworden, sicher im Zusammenhang mit der Zervixdysplasie und dem Zervixkarzinom. Aber denken wir genug an die Hepatits B-Infektion? Fragen wir jede junge Frau, ob sie ausreichend dagegen geimpft ist? Beachten wir bei der Kontrazeptionsberatung auch gleichrangig die „Kontra- Infektions-Beratung“? Das würde heißen, Sexualität sehr direkt anzusprechen: Nimmt der Freund Kondo me, kann er sie benutzen, weiß er, dass es verschiedene Größen gibt und bei entsprechender Anpassung die Gefahr des Platzens bzw. Abrutschens kleiner wird? Wissen beide, dass sie – wenn nötig – nur wasserlösliches Gleitgel benutzen dürfen, da fettlösliche Präparate das Latexkondom angreifen können? Da männliche Jugendliche sich für den „Kinderarzt“ meist zu erwachsen fühlen und keinen vertrauten „Männerarzt“ haben, werden Frauenärzte/- innen vor eine doppelte Aufgabe gestellt.
So könnten sie manche ihrer Patientinnen vor dem nächsten Thema im Altersverlauf, einer Chlamydien-Infektion, bewahren. „Seit dem 1.1.2008 wird sexuell aktiven Frauen unter 25 Jahren ein Chlamydien- Screening angeboten“, heißt es auf der Internet-Informationsseite des Robert-Koch-Instituts [3]. Der darunter stehende Satz „in Zukunft soll die Inanspruchnahme des Screenings erhöht werden“, weist auf die mangelnde Umsetzung hin: „Hoch gerechnet deckt das Screening für Frauen unter 25 Jahren 11 % der Frauen ab, die zu einer Untersuchung berechtigt sind.“ Die Ergebnisse beruhen auf einer mehrjährigen Evaluationsstudie [4]. Nur jede zehnte junge sexuell-aktive Frau erhält das Screening – das ist aus meiner Sicht gleichzeitig ernüchternd und deprimierend! Denn die hohe Positiv-Rate von 6,0 bis 6,8 % bei Frauen zwischen 15 und 24 Jahren [4] beweist, dass das Screening Sinn macht. Mit der dadurch möglichen Früherkennung ist eine frühe Behandlung zu erreichen, bevor es zur Aszension und entsprechenden Folgeschäden im kleinen Becken kommt. Da davon auszugehen ist, dass Frauenärzten/innen der Sachverhalt bekannt ist, kann es – neben dem nicht wegzudiskutierenden Problem der mangelnden Vergütung – auch am Problem der Kommunikation liegen. Junge Frauen für eine Teilnahme am Screening zu motivieren, heißt wieder: Sex ansprechen und nach Partnern fragen. Noch komplexer ist das Gespräch bei einem positiven Test. Es geht dabei nicht nur um die Dauer der Antibiotika- Behandlung, sondern vor allem um das empathische Eingehen auf die Sorgen: „Von wem habe ich das?“ und „Kann ich jetzt keine Kinder mehr bekommen?“ Die zwingend notwendige Behandlung des Partners muss erörtert werden, vielleicht auch die des Expartners, damit er nicht weitere Partnerinnen ansteckt. Das ist vielen äußerst unangenehm. Bis zur nächsten Kontrolle – frühestens vier Wochen nach Therapieende, damit das Ergebnis nicht falsch-positiv ausfällt – darf Sex nur geschützt mit Kondomen stattfinden.
Je nach (Risiko-)Situation ist bei einem positiven Chlamydien-Nachweis zu überlegen, ob eine Gonorrhoe- Diagnostik (AWMF Leitlinie Gonorrhoe) angeschlossen werden soll, die aus derselben Urinprobe möglich ist. Ein Anlass dafür kann auch der (manchmal gedruckste) Bericht über einen intensiven „Urlaubsflirt in Afrika“ sein, zumal wenn es danach zu vermehrtem Ausfluss kam, oder der ungeschützte „Sex mit dem Ex“. Das können schwierige Erörterungen sein, die neben der erforderlichen Zeit vor allem eine kompetente Kommunikation mit Feingefühl verlangen. Eine evtl. weitere Diagnostik (Abstrich, Kultur) und die ausreichende Therapie (incl. Partner!) benötigen aktualisiertes Wissen, evtl. in Kooperation mit anderen Fachgebieten. In diesen Situationen sollte auch eine qualifizierte HIV-Beratung erfolgen (Zeitrahmen des Nachweises bzw. Ausschlusses, Infektiosität etc.). Wer da unsicher ist, sollte an das Gesundheitsamt verweisen; dort können die Untersuchungen bei entsprechender Indikation auch anonym und kostenfrei durchgeführt werden.
Das nächstes Thema ist der HPV-Abstrich. Er wird bei jüngeren Frauen (< 30 J.) mit unauffälligem Pap- Abstrich primär nicht empfohlen. Der Grund dafür ist, dass viele in dieser Altersgruppe infiziert sind, aber die Infektion überwiegend unbemerkt wieder ausheilt, d. h. die mit einem positiven HPV-Abstrich verbundene Beunruhigung ist zumeist völlig unnötig. Das Wissen, die regelmäßigen Abstrichkontrollen und das Warten auf eine Abheilung können sehr belasten [5]. Besonders schwierig fand ich immer die Beratungssituation, die entsteht, wenn eine Frau in fester Partnerschaft zunächst HPV-negativ ist und bei einer Kontrolle, z.B. aufgrund eines auffälligen Pap-Abstrichs, plötzlich HPViren nachgewiesen werden. Die Frage lautet in dem Fall immer: „Woher habe ich das?“. Die Antwort: „Weil HP-Viren unsichtbar in Haut und Schleimhautzellen im gesamten Genitalbereich sitzen können, kann man sich bei jedem intimen Hautkontakt anstecken, nicht nur beim Geschlechtsverkehr. Eine Ansteckung über Körperflüssigkeiten wie Sperma, Blut oder Speichel gilt als unwahrscheinlich“ [6]. Der eindeutige Zusammenhang zwischen HPV-Infektion und intimen körperlichen Kontakt lässt sich in der Beratung nicht weg reden, denn jede/jeder kann es im Netz nachlesen. Das bedeutet: Zusätzlich zur Beunruhigung über die Folgen der Infektion kommt ein Verdacht auf „Seitensprung“ auf, was eine entsprechende Belastung für die Beziehung bedeutet. Auch darauf sollte man in der Beratung reagieren und eingehen können.
Das Thema HIV wird meist kurz bei der Verhütungsberatung gestreift, verbunden mit der Information, dass Kondome davor schützen. Das ist vor allem dank der BZgA-Kampagnen zum Glück weithin bekannt. Erneut muss HIV bei der Betreuung in der Frühschwangerschaft thematisiert werden. Nach heutigem Wissensstand und gemäß der Mutterschaftsrichtlinie, sollte allen Schwangeren und nicht nur Frauen aus Risiko-Gruppen der HIV-Test empfohlen werden, auch wenn das oft Staunen bis hin zur Abwehr – „brauche ich nicht“ – hervorruft. Der Hintergrund ist, dass es Frauen gibt, die sich unwissentlich infiziert haben und damit ihr Kind gefährden. Völlig nebenbei läuft der Bluttest auf Lues, das wird als Relikt akzeptiert. Ein einziges Mal habe ich erlebt, dass er positiv ausfiel. Dann erfuhr ich von der erschrockenen Frau, dass da „früher mal was war, das behandelt wurde“. Der Befund stellt sich als sogenannte Seronarbe heraus. Die Patientin hatte die Erkrankung fast vergessen, ahnte nicht, dass sie noch erkennbar war, und schämte sich zunächst. Ihr neuer Partner nahm es jedoch nach entsprechender Beratung gelassen auf.
Viel häufiger als die geschilderten STI und gleichzeitig aus medizinischer Sicht viel „banaler“, sind übliche Scheidenentzündungen, Soor und bakterielle Vaginose. Sie führen zwar zu Beschwerden, verursachen aber langfristig keine schwerwiegenden Erkrankungen. Das ist wichtig zu betonen, da sich manche Frauen diesbezüglich Sorgen machen. Nur in der Schwangerschaft vermutet man einen Zusammenhang zwischen der Vaginose, der damit verbundenen pH-Veränderung im Scheidenmilieu, und aufsteigenden Entzündungen, welche für Frühgeburten (mit)verantwortlich gemacht werden. Entgegen früheren Usancen hilft die entsprechende Partnerbehandlung nicht gegen ein Infektions- Rezidiv der Frau. Das bedeutet umgekehrt: Eine Behandlung des Mannes erfolgt nur bei Beschwerden, z. B. einem juckendem Ausschlag auf dem Penis, der auf eine Soor-Balanitis hinweist. Die lästigen Rezidive haben etwas mit der Abwehrsituation der Frau zu tun und erfordern oft eine lange Behandlung, was für Patientin und Ärztin sehr zermürbend sein kann. In einigen Fällen ist die Infektion auch plötzlich verschwunden und gelegentlich mit einer Bemerkung verbunden, wie: „Nach der Trennung von meinem Ex ist alles viel besser und mir geht es richtig gut; mit meinem neuen Freund tut der Sex nicht mehr weh.“
Was steht für Frauenärzte/-innen in der Praxis an?
Vorrangig: Das Chlamydien-Screening ernst nehmen! Jede Frau unter 25 Jahren, die sexuell aktiv ist, hat ein Recht auf das jährliche Angebot zum Chlamydien-Screening. Damit sich die Teilnahmerate erhöht, müssen wir Ärztinnen und Ärzte dies ansprechen, organisatorisch umsetzen und empfehlen, denn Mädchen und Frauen kommen mit dieser Thematik nicht unbedingt aktiv auf uns zu. Dabei nimmt uns der offizielle Informations- Flyer des G-BA viel Aufklärungsarbeit ab. Die MFA können ihn, mit der Bitte ihn im Wartebereich zu lesen, übergeben. Zudem können sie aufklären, warum es wichtig ist, den „Erststrahlurin“ abzugeben und warum die Blase mindestens zwei Stunden vorher nicht entleert worden sein darf. Die Keime sitzen in den Zellen der Urethra und sind somit in den ersten Millilitern des Urins zu finden. Dann bleibt für uns Ärzte/- innen (nur) die Beratung über die Infektion selbst und bei positivem Befund natürlich die Therapie incl. des Hinweises, dass der Partner obligat mitbehandelt werden muss. Dieses Umsetzen des Screenings sind wir den jungen Frauen schuldig! Die Beratung über STI kann gut in die Kontrazeptionsberatung integriert werden, incl. der Überprüfung des Impfstatus und eventuell benötigter Impfungen.
Die Hepatitis-B-Impfung ist eine Standard-Impfung für Kinder und Jugendliche. Außerdem gilt sie als Indikations-Impfung für Erwachsene mit hoher Infektionsgefährdung (z. B. alle medizinischen Berufsgruppen). „Dazu zählen auch sexuelle Risiken wie wechselnde Sexualpartner/- innen“ [1], das heißt, wir sollten entsprechende Frauen wie Sexarbeiterinnen auf die Möglichkeit der Impfung ansprechen. Die Hepatitis- A-Impfung gilt ebenfalls als Indikationsimpfung, u. a. „für Personen, die ein Sexualverhalten mit hoher Infektionsgefährdung (prinzipiell bei oral-analen Kontakten)“ haben [1].
Die HPV-Impfung ist anscheinend gut geregelt; das gilt in Zukunft auch für den HPV-Abstrich als Standard- Kassenleistung [5]. Das Angebot als IGeL-Leistung sollte gut überlegt sein, um nicht unnötige Ängste zu wecken.
An Gonorrhoe und Syphilis müssen manche Frauenärzte/-innen bei entsprechender Anamnese und Symptomatik sicher mehr denken. Hier spreche ich aus eigener Erfahrung, da ich das im Praxisalltag früher eher vernachlässigt habe. Als wir das Thema STI im Qualitäts-Zirkel besprachen, hörte ich es auch von meinen Kolleginnen. Die DGPFG setzt sich auch aus diesem Grund im Rahmen der „Aktion Roter Stöckelschuh“ [7] dafür ein, dass Sexarbeiterinnen in gynäkologischen Praxen willkommen sind und fundiert zu STI beraten und behandelt werden. Dafür braucht es die Bereitschaft und das Wissen!
STI und Psychosomatik
Die Nähe zum Sex macht die STI für die meisten Menschen zu etwas Besonderem. Nicht umsonst sprach man früher von „Lustseuche“ und meinte damit zumeist Syphilis, manchmal auch Gonorrhoe. „Tripper“, die umgangssprachliche Bezeichnung für Gonorrhoe, hat einen abwertenden Beiklang. AIDS galt lange als typische Erkrankung von Drogenabhängigen und promisken Homosexuellen. Erkrankte hatten mit Schuldvorwürfen und Diskriminierung zu rechnen. Das will man/frau alles nicht haben, darüber will niemand reden!
Um Erkrankungen im „Intimbereich“ adäquat zu behandeln, bedarf es entsprechend nicht nur des medizinischen Wissens über die Erreger, Symptome, Diagnostik und Therapie. Man muss von ärztlicher Seite darüber sprechen können, die richtigen Worte finden und vor allem den Mut zum Gespräch haben, zur bio-psycho-sozialen Anamnese, einem Grundstein der psychosomatischen Herangehensweise. Das kann je nach Situation unterschiedlich intensiv sein, Fragen wie „Ist Sex (schon) ein Thema?“, „Wann tut was weh, seit wann besteht der lästige Ausfluss?“, „Welche Sexualpraktiken gibt es, wie sieht die Beziehung aus?“ ,“Gab es eine Urlaubs-Affäre oder einen Seitensprung?“, „Wie leben Partner/Partnerin, gab es Gewalt oder Drogen?“, gehören dazu. Natürlich müssen die Fragen mit der Patientin abgesprochen werden: „Ich habe den Eindruck/den Verdacht, dass …“, „Möchten Sie darüber reden? Darf ich Sie fragen?“. Dafür ist eine wertschätzende urteilsfreie Atmosphäre die notwendige Bedingung, in der die Frau/das Mädchen weiß: „Ich kann Fragen stellen, ich kann antworten, aber auch schweigen oder später wiederkommen. Es geht um meine Gesundheit, für die bin ich zuständig.“ Nur wenn Mädchen und Frauen sich an- und ernst genommen fühlen und Vertrauen haben, sind sie offen für Vorschläge zur Prävention, Diagnostik und Therapie. Wenn nötig sind sie dann auch zu einem Gespräch mit dem Partner/der Partnerin und eventuell auch dem/der “Ex“ bereit. „Sexuelle Gesundheit“ ist eine wichtige Aufgabe und Herausforderung, der sich Frauenärzte/-innen noch bewusster stellen können.