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DGPFG-Rundbrief
2/2016 Nr. 52

Dezember 2016

Liebe Mitglieder der DGPFG,

haben Sie nicht auch das Gefühl, dass auf unserer Seele herumgeTRUMPelt wird?

Dass ein Populist einen faktenlosen Wahlkampf gewinnt, sollte uns mehr als nachdenklich stimmen. Die von der Globalisierung vorgegaukelte, aber selten mögliche „Verfügbarkeit“ eines sorgenfreien Lebens erzeugt Gier, Kränkung und am Ende ein Gefühl von Bedeutungslosigkeit. Dies ist der Nährboden für fast alle Zeitphänomene wie auch den Erfolg des Populismus.

Was können wir Psychosomatiker tun?

Der bekannte Freiburger Ethiker Giovanni Maio schreibt in seinem Buch, Medizin ohne Maß: „Das Glück liegt nicht in unserer Hand, sondern in unserer Einstellung.“ …und damit können wir insbesondere mit unseren Patientinnen immer wieder arbeiten. Die biopsychosozial begleitete Elternschaft ist kein Garant aber Voraussetzung für eine Entwicklung zum selbstbewussten, kohärenten Menschen, der weniger Anfälligkeit zeigt für Extremismus, welcher Art auch immer.

Aber auch die ganz allgemeine psychosomatische Begleitung von Frauen in Ihren Lebensübergängen von der Menarche bis zur Menopause und in ihren Krisenzeiten, sei es aus biologischen, psychischen oder sozialen Gründen, hat aus meiner Sicht protektive Effekte.

Indem wir eine ehrliche und ganzheitliche Medizin anbieten, welche sich nicht dem Diktat von Ökonomie und Organisation unterordnet, leisten wir viel für den „Seelenfrieden“ – auch den unseren.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie nach Lektüre unseres Rundbriefes auch zu dem Schluss kommen, dass wir in der DGPFG und im Verbund mit den kooperierenden Verbänden gute Arbeit leisten. Vorstand und Beirat sind fleißig und haben viel geschafft. Wir sind auf gutem Weg – sind zunehmend bedeutsam, versuchen klug und evident zu entscheiden und öffnen unsere Grenzen, und damit stehen wir auch politisch auf der aus meiner Sicht richtigen Seite. Ich hoffe, viele von Ihnen sehen das auch so.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich und in freudiger Erwartung auf ein Wiedersehen in Dresden

Dr. Wolf Lütje
Präsident der DGPFG

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Inhaltsverzeichnis

Seite 3
Einladung zur Mitgliederversammlung


Seite 4
Klausurtagung im September 2016


Seite 5
Gewalt gegen Frauen


Seite 6
Die neue Homepage


Seite 7
DGPFG-Kongress 2017


Seite 8
Nationales Zentrum Frühe Hilfen


Seite 9
Kooperationen – Informationen und Stand der Dinge


Seite 10
Das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland BKiD


Seite 10
Perspektiven der psychosozialen Kinderwunschberatung in Deutschland – Tagung in Hamburg


Seite 11
Initiative Klug entscheiden


Seite 12
Kongressberichte


Seite 12
61. Kongress der DGGG 2016


Seite 13
DGPFG-Sitzung zu Migrationsthemen auf der DGGG-Tagung 2016


Seite 14
23. Jahrestagung des AKF


Seite 15
Fachtag „Gelingende Geburtshilfe“


Seite 16
Studie: Deutschland hat weniger Sex


Seite 17
Buchtipps


Seite 17
Vertrauen in die natürliche Geburt


Seite 17
Schönheitsmedizin


Seite 18
Impressum

1. Arbeitstreffen des Jungen Forums der DGPFG

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Junge Forum der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) versteht sich als die Vertretung junger Kolleginnen und Kollegen in der gynäkologischen Facharztweiterbildung und auch noch danach. Es ist ein Netzwerk, welches Information und Beratung in Bezug auf klinische, wissenschaftliche und didaktische Aspekte der psychosomatischen Frauenheilkunde bietet. Zugleich geht es um die Förderung der Zusammenarbeit und des Austauschs zwischen den Generationen. Zusammen mit dem Jungen Forum der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) laden wir Sie herzlich zu einer gemeinsamen Veranstaltung an die Universitäts-Frauenklinik nach Heidelberg ein.
Das 1. Arbeitstreffen richtet sich vor allem an Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und jüngere Fachärzte, die sich psychoso-matische und kommunikative Kompetenz in der Geburtshilfe aneignen möchten. Die Vorträge widmen sich vor allem gemäß dem Thema des Arbeitstreffens schwierigen und kontroversen Themen der geburtshilflichen Praxis. Wir bieten außerdem Workshops an, die die Themen der Vorträge vertiefen und neue Aspekte präsentieren. Darüber hinaus wird es Workshops zu Teamarbeit und Selbst-management geben.

Die Universität Heidelberg ist die älteste Universität in Deutschland, eine ebenso lange Tradition haben Forschung und Lehre in der Medizin. Heidelberg ist ein beliebter Tagungsort, an dem sich Altes und Neues, Historie und Gegenwart verbinden und zum Nachdenken und Diskutieren über „psychosomatische Kontroversen und Gewissheiten in der Geburtshilfe“ einladen.

Wir freuen uns, Sie im Oktober in Heidelberg begrüßen zu dürfen.

Susanne Ditz, Anne Doster, Lena Gabriel, Stephanie Wallwiener

Hier finden Sie einen Flyer zum Download mit allen Informationen zum Treffen

Artikel des Monats Juli 2018

Artikel des Monats Juli 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Weng SC, Chang JC, Yeh MK, Wang SM, Lee CS, Chen YH.

Do stillbirth, miscarriage, and termination of pregnancy increase risks of attempted and completed suicide within a year? A population-based nested case-control study.BJOG. 2018 Jul;125(8):983-990.

BJOG. 2018 Jul;125(8):983-990.

 

In der vorliegenden bevölkerungsbasierten taiwanesischen Kohortenstudie wurde das Suizidrisiko sowie die Suizidalität ein Jahr nach Totgeburt, Fehlgeburt  oder Schwangerschaftsabbruch untersucht und mit dem Risiko einer Frau nach einer Lebendgeburt verglichen. Betrachtet wurden dabei 485 Fälle von versuchtem respektive 350 Fälle von durchgeführtem Suizid aus den Jahren 2001 bis 2011 analysiert. Es wurden dann matched pairs bezüglich des Alters und Jahres der Entbindung gebildet.

Es zeigte sich, dass in der Gruppe der Frauen mit einem Schwangerschaftsverlust die Rate an Suizidversuchen erhöht war, auch die Rate des durchgeführten Suizids war in der Gruppe mit Totgeburt, Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch erhöht im Vergleich zu den Frauen, die eine Lebendgeburt im gleichen Zeitraum hatten. Auch bei Frauen mit der Erfahrung einer Fehlgeburt oder einem Schwangerschaftsabbruch war das Risiko für einen Suizidversuch in dem Jahr danach erhöht.

Die Autoren schließen daraus, dass in einer psychischen Belastungssituation, die mit Schwangerschaftsverlust in Zusammenhang steht, auf die psychische Reaktion in besonderer Weise geachtet werden sollte und sowohl betroffene Frauen als auch Familienmitglieder über mögliche psychische Reaktion aufgeklärt werden sollten.

Aus meiner Sicht eine interessante Arbeit, die sensibilisieren soll für die teilweise erheblichen psychischen Folgen relativ alltäglicher und häufiger gynäkologischer Erkrankungen und Eingriffe.

Friederike Siedentopf, Juli 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Preisverleihungen DGPFG-Kongress 2018

DGPFG unterstützt Wissenschaft und Forschung
Preise der DGPFG 2018

Bei der Jahrestagung in Berlin 2018 wurden zwei Forschungsstipendien, jeweils in Höhe von 3000 €, vergeben. Diese erhielten:

Lina Mathies von der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg für ihr Projekt mit dem Titel „Einfluss einer elektronischen achtsamkeitsbasierten Intervention auf depressive Symptome und (schwanger­schaftsspezifische) Ängste bei stationären geburtshilflichen Patientinnen“ sowie

Victoria Kress vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden für ihr Projekt zum Thema „DREAM – DResdner Studie zu Elternschaft, Arbeit und Mentaler Gesundheit“

Den Promotionspreis 2018, dotiert mit 1000 €, erhielt Silke Brenne von der Charité Universitäts­medizin Berlin für ihre Dissertation mit dem Titel „Der Einfluss von Migrations- und Akkulturations­prozessen auf Stillabsicht und Stilldauer“.

Außerdem wurden Preise für die besten Kurzvorträge vergeben. Diese gingen an:

Lina Mathies von der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg für ihren Vortrag „Prelax – Einfluss eines digitalen Schwangerschaftsratgebers auf Schwangerschaft und Geburt“,

Victoria Kress vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden für ihren VortragMütter­liche Feinfühligkeit, Bindung und psychische Belastung – Eine Prä-Post-Untersuchung einer Mutter-Kind-Behandlung bei postpartalen Erkrankungen“,

Friederike Münch von der Charité Universitätsmedizin Berlin für ihren Vortrag „Subjektive Krankheitstheorien von Myompatientinnen“,

Maren Schick vom Institut für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Heidelberg für ihren Vortrag „Der Mann und seine Psyche in der Kinderwunschbehandlung“.

Die Abstracts der ausgezeichneten Kurzvorträge finden Sie in unserem aktuellen Rundbrief, den Sie hier downloaden können.

Die Forschungsstipendien und auch der Promotionspreis werden in Zukunft nicht mehr ausgeschrie­ben werden. Stattdessen wird ein Forschungspreis der DGPFG über 5000 € ausgeschrieben. Ab 2020 soll ein „DGPFG-Preis für psychosomatische Forschung“ auf dem DGGG-Kongress ausgelobt werden.

Susanne Ditz

DGPFG-Rundbrief 1/2018 Nr. 55

DGPFG-Rundbrief
1/2018 Nr. 55

Juni 2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Psychosomatik fühlt sich gut an – auch die DGPFG fühlt sich gut an:

Solide, kontinuierliche und konstruktive Vorstandsarbeit, ein erweiterter aktiver Beirat, viel auch poli­tische Wahrnehmung im Innen und Außen und trotzdem: Wir werden nicht mehr, eher weniger. Unsere Anliegen und Ausrichtungen haben kein Alleinstellungsmerkmal und trotz viel Vernetzung und Kooperationsarbeit: Wir bleiben wohl ein eigenständiger Verein (mit allen Vor- und Nachteilen), der sich immer wieder neu ausrichten muss in einer Zeit, in der biopsychosoziale Fragestellungen zuneh­men, sich aber auch viele Mitinteressenten und Bewerber finden.

Auch wenn wir mit der DGGG zukünftig lediglich in Kooperation und nicht unter einem Dach leben werden, wird uns diese Entwicklung weiter tragen und uns Möglichkeiten im Bereich der Aus- und Weiterbildung, aber auch der Wissenschaft eröffnen. Mit der Akademisierung des Hebammenberufes haben wir zudem die Chance, in der Ausbildung einer anderen Berufsgruppe psychosomatische Inhalte zu implementieren.

Ich hoffe, Sie konnten sich auch auf der Mitgliederversammlung in Berlin ein Bild von unserem guten Weg machen, der uns nächstes Jahr zu unserer 48. Jahrestagung nach München führen wird. Anschließend geht es wieder in den Osten (Jena), und schon jetzt sind wir zumindest in Gedanken bei unserer 50. Jahrestagung, die wir sicher zentral (Berlin oder Hamburg) im großen Stil ausrichten werden.

So scheint – zumindest für mich als Präsident – sowohl in der DGPFG als auch in diesem wunder­samen Frühjahr stets die Sonne.

Ihr

 

Dr. Wolf Lütje
Präsident der DGPFG

Slide Aktuellen Rundbrief downloaden

Inhalt

  • Vorstandsberatung im April 2018
  • 47. Jahrestagung der DGPFG – Rückblick
  • Ergebnisse der Evaluation der Tagung5
  • Preisträgerinnen 2018
  • Abstracts der ausgezeichneten Kurzvorträge
  • Jahrestagung der DGPFG 2019 in München
  • Neues Forum-Heft der BZgA
  • Neue Rubrik auf Homepage
  • Foren der DGPFG
  • Gemeinsame Sitzung Junges und Interdisziplinäres Forum in Berlin
  • Treffen des Jungen Forums in Heidelberg
  • Arbeitstreffen des Interdisziplinären Forums
  • Psychosomatische Grundversorgung bewährt sich bei Weiterbildungsordnung
  • Aufbaukurs Sexualmedizinische Grundversorgung
  • Leitlinienarbeit
  • Die DGPFG bezieht Stellung – Diskussion zum §219a
  • Pressemitteilung: Mehr Schwangerschaftsabbrüche?
  • Projekt Migrations- und kultursensible Gesundheitsversorgung
  • Neue Ehrenmitglieder der DGPFG vorgestellt – Ulrike Hauffe und Prof. Dietmar Richter
  • ISPOG-Kongress 2019
  • Wissenschaftliche Zeitschrift der ISPOG
  • Internationaler Hebammentag
  • Mehr Ausbildungs- und Studienplätze für Hebammen
  • AG GGUP – Mitgliederversammlung und Vorstandswahlen
  • Hilfetelefon „ Gewalt gegen Frauen“
  • BKiD – Aktuelle Entwicklungen
  • Aktuelles von der DGfS
  • Buchbesprechung: Filmpsychoanalyse
  • Buchbesprechung: Sexualität und Trauma
  • Buchbesprechung: Wie Geburtserfahrung unser Leben prägt

Artikel eines Beiratsmitgliedes Juni 2018

Artikel eines Beiratsmitgliedes – Juni 2018

Einfluss der Migration und Akkulturationsprozesse in Berlin auf die Frühgeburtenrate

Informationen zu einer zurzeit durchgeführten Studie am St. Joseph Krankenhaus

Marlene Lee, Michael Abou-Dakn
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Tempelhof

gynaekologie@sjk.de

Migration und Akkulturation haben insbesondere in den letzten Jahren in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Der Jahresbericht des Statistischen Bundesamtes weißt aktuell ca. 18,6 Mio. Menschen in Deutschland mit einem Migrationshintergrund auf (1). Hierunter versteht man Menschen, die entweder selbst im Ausland geboren sind oder jene bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde (1). Unter der Akkulturation werden die Anpassungsprozesse verstanden, die aus dem Kontakt von Mitgliedern verschiedener Kulturen über einen längeren Zeitraum entstehen (2). Diese akkulturationsbedingten Anpassungsprozesse können zu Stress führen, dem sogenannten Akkulturationsstress, welcher häufig mit negativen Affekten, wie zum Beispiel einer depressiven Gemütslage oder Ängstlichkeit im Hinblick auf die Bewältigung des täglichen Lebens innerhalb der neuen Gesellschaft vergesellschaftet sind. Ebenso kann es zu einem Gefühl des kulturellen Identitätsverlustes kommen auch durch den Verlust von sozialen Netzwerken und Unterstützungssystemen, welche ebenfalls zu einer höheren Rate an Depressionen und Einsamkeit führen können (3,4).

Auch die reproduktive Gesundheit von Migrantinnen ist oft nicht zufriedenstellend. Die Inanspruchnahme der Gesundheitssysteme erfolgt meist nicht im gleichem Umfang, wie durch die einheimischen Frauen (5,6). In mehreren internationalen Studien konnte gezeigt werden, dass längere Akkulturationsprozesse, bei denen Frauen größere Teil der Sitten und Traditionen der neuen kulturellen Umgebung annehmen, interessanter Weise schlechteres perinatales Outcomes begünstigt (4,7-9).  Hierunter fallen ein niedriges Geburtsgewicht, eine erhöhte perinatale Mortalität, mehr operative Entbindungen sowie eine erhöhte Frühgeburtenrate (4,7-9). Dies konnte vor allem in Studien aus den USA, die sich mit mexikanischen Migrantinnen beschäftigt haben, beobachtet werden. Die Studien zeigen, dass Frauen, die weniger akkulturiert sind eine geringere Rate an perinataler Morbidität und Mortalität aufweisen, obwohl sie einen niedrigeren sozio-ökonomischen Status, weniger Bildung sowie einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Dieser Effekt hat als das „Latino Gesundheitsparadox“ in die Literatur Einzug genommen (4,6).

Die genauen Mechanismen, durch die die Akkulturation zu diesen ungünstigen perinatalen Outcomes beiträgt, sind jedoch bisher weitgehend ungeklärt (4). Die nachteiligen Auswirkungen der sozialen Situation vieler Migrantinnen sowie der oftmals weiterbestehenden Kommunikationsprobleme sind als Ursache naheliegend.

Kausal können daneben aber auch in Folge der Akkulturation die Übernahme von gesundheitsschädigenden Gewohnheiten, wie Nikotinabusus und Alkoholkonsum sowie dem kalorien- und fettreicherem Essverhalten sein. So zeigen Studien, dass mit Zunahme der Akkulturation auch die negativen gesundheitlichen Faktoren der neuen Gesellschaft übernommen werden (4,8).

In der Bundesrepublik Deutschland liegen bis dato keine Daten zu dem Perinatalem Outcome von Migrantinnen vor. Diese sind jedoch in Anbetracht der fortschreitenden Migrations-, Integrations- und Akkulturationsprozesse wichtig, um ein besseres Verständnis des Einflusses dieser Prozesse auf die Schwangerschaft und Geburt zu erlangen.

Aus diesem Grund führen wir zu Zeit eine prospektive Studie in der Frauenklinik des St. Joseph Krankenhaus, Berlin-Tempelhof durch. In dieser untersuchen wir die möglichen Unterschiede in der Frühgeburtenrate bei Frauen mit Migrationshintergrund verschiedener Generationen im Vergleich zu Frauen ohne Migrationshintergrund sowie die Auswirkung des Akkulturationsstresses auf diese Prozesse.

Eine Studienteilnahme wird allen Wöchnerinnen, die sich stationär auf der Wochenbettstation der Klinik für Geburtshilfe des St. Joseph Krankenhauses befinden, angeboten. Sie folgt der Ethik der Helsinki Deklaration und den aktuellen Datenschutzbestimmungen und ist durch die Ethikkommission der Ärztekammer Berlin anerkannt worden.  Für die Befragung werden validierte Assessmenttools wie die Frankfurter Akkulturationsskala (Bongard et al. 2007), der Akkulturationsstress-Index (Dissertation Foroutan. 2006) sowie der DFG – Fragebogen zu soziodemographischen Angaben (DFG-Projekt David et al. 2011) verwandt (3,10,11).

1000 Frauen, davon mindestens 400 Frauen mit sowie 400 Frauen ohne Migrationshintergrund sollen nach Berechnung der Statistik befragt werden. Verglichen werden Gruppe A (Frauen ohne Migrationshintergrund) versus Gruppe B (Frauen mit Migrationshintergrund).  Die Datenerhebung erfolgt mittels Fragebögen, die durch eine Projektmitarbeiterin gemeinsam mit der Patientin ausgefüllt werden.

Ziel dieser Studie ist es, die Einflüsse von Migrations- und Akkulturationsprozessen sowie den damit vergesellschafteten Stress auf die Frühgeburtenrate bei Frauen mit Migrationshintergrund der ersten sowie der zweiten Generation im Vergleich zu Frauen ohne Migrationshintergrund zu erforschen.  Mit den Ergebnissen unserer Studie erhoffen wir für Deutschland Daten hinsichtlich des gesundheitlichen Effekts der Migrantinnen in Abhängigkeit von der Akkulturationsdauer zu erhalten und ggf. gesundheitsfördernde Intervention zu entwickeln.

Wir werden nach Auswertung der Daten gerne wieder darüber berichten.

Zu den Mitgliedern des Beirats der DGPFG

Prof. Dr. med. Michael Abou-Dakn

Artikel des Monats Juni 2018

Artikel des Monats Juni 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Tjitske R. Zaat et al.

Posttraumatic stress disorder related to postpartum haemorrhage: A systematic review.

European Journal of Obstetrics & Gynecology and Reproductive Biology 225 (2018) 214–220

 

Wann immer eine Geburt durch einen Blutverlust von 500 ml und mehr verkompliziert wird, wird dies als postpartale starke Blutung klassifiziert. Eine starke postpartale Blutung ist eine der Hauptkomplikationen einer Geburt, die im Einzelfall auch zu einer Notfall-Hysterektomie führen kann. In 0,1 bis 0,3 auf tausend Geburten kommt zu einer postpartalen Notfall-Hysterektomie. Die physischen respektive somatischen Auswirkungen auf die betroffenen Frauen im Zuge einer verstärkten peri- bzw. postpartalen Blutung mit oder ohne Notfall-Hysterektomie wurden in letzter Zeit intensiv untersucht, während Zusammenhänge zu posttraumatischen Belastungsstörungen oder allgemeinen psychischen Belastungen kaum Inhalt von Untersuchungen waren. Die globale Inzidenz der verstärkten peri- bzw. postpartalen Blutungen wird auf 1 bis 5 % aller Geburten geschätzt. Damit hat dieses Thema eine große Bedeutung. Patientinnen beschreiben diese Geburtskomplikation als traumatische Erfahrung. Es ist nicht bekannt, ob die verstärkte postpartale Blutung per se ein Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen ist. Solche Aspekte werden im klinisch-geburtshilflichen Alltag aktuell nicht beachtet. Insofern ist der vorgelegte Reviewartikel sehr interessant und beachtenswert. Basierend auf eigenen klinischen Erfahrungen und qualitativen (Vor-)Studien haben die Autoren der Literaturübersicht die Erarbeitung von Empfehlungen für diese Situation angestrebt. In einem systematischen Review wurden die aktuellen Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen starker peri- bzw. postpartaler Blutung mit und ohne Notfall-Hysterektomie und postpartaler posttraumatischer Belastungsstörung erfasst. Die Autoren führten diese Literaturrecherche mit folgendem präventiven Gedanken durch: Wenn die starke postpartale Blutung ein Risikofaktor für die posttraumatische Belastungsstörung ist, sollte dies frühzeitig erkannt werden. Die Kenntnis dieses Zusammenhangs könnte zu einer Reduzierung der Langzeitauswirkungen und sozioökonomischen Probleme, die mit einer posttraumatischen Belastungsstörung verbunden sind, für die Betroffenen führen.  Es wurde eine Literatursuche in acht Literaturdatenbanken durchgeführt, wobei Publikationen einbezogen wurden, die zwischen Januar 1986 und Oktober 2017 veröffentlicht wurden. Es wurden sowohl Manuskripte überprüft, die einen Zusammenhang zwischen starker postpartaler Blutung sowie peripartaler Notfall-Hysterektomie mit einer posttraumatischen Belastungsstörung und/oder postpartalen posttraumatischen Stresssymptomen thematisierten. Insgesamt wurden 1651 Artikel durchgeschaut. 52 Artikel erfüllten die von den Autoren definierten Kriterien für das Volltext-Review. Letztlich blieben aber nur 7 Artikel, die zwischen 2011 und 2017 erschienen sind, für die eigentliche Literatur- bzw. Datenauswertung übrig.  Davon befassten sich 5 Studien mit einem Zusammenhang zwischen schwerer postpartaler Blutung und posttraumatischer Belastungsstörung und 2 Studien mit dem Zusammenhang zwischen Notfall-Hysterektomie und peripartalem posttraumatischen Stress. 3 Studien fanden keine Assoziation zwischen der starken peripartalen Blutung und der Belastungsstörungen, 2 Studien berichteten über ein höheres Risiko für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung oder posttraumatischer Stresssymptome nach starker peripartaler Blutung. Die Ergebnisse zweier weiterer Studien zeigten ein höheres Risiko für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach peripartaler Notfall-Hysterektomie. Wegen der Heterogenität der gefundenen Studien war allerdings eine Meta-Analyse nicht möglich. Basierend auf den Ergebnissen der o.g. sieben Studien scheint ein Zusammenhang zwischen verstärkten bzw. schweren peripartalen Blutungen und posttraumatischer Belastungsstörung zu bestehen, so die Autoren. Außerdem ist es relativ wahrscheinlich, dass eine Assoziation zwischen einer peripartalen Notfall-Hysterektomie und solchen Belastungsstörungen besteht, aber die Evidenz dieser Ergebnisse wird durch die geringe Studienzahl bzw. die geringe Zahl einbezogener Patientinnen limitiert. Möglicherweise ist aber auch die Grenze von 500 ml Blutverlust für die erwähnten psychischen Auswirkungen zu niedrig gewählt, psychische Folgen sind erst bei einem höheren Grenzwert z.B. 1500 oder 2000 ml und einer größeren „Dramatik“ der Situation evident Es erscheint aber plausibel, dass die Notfall-Hysterektomie schweren emotionalen Disstress induziert, und es ist nachvollziehbar, dass diese Erfahrung oft als belastend, sowohl für die betroffene Frau als auch ihren Partner, beschrieben wird, da damit ja der Verlust der Möglichkeit, weitere Schwangerschaften respektive Kinder zu haben, einhergeht. Unter Beachtung der großen Zahl von Frauen, deren Geburt weltweit durch eine verstärkte postpartale Blutung verkompliziert wird, sollte überlegt werden, dass bereits früh auf Symptome einer postpartalen Belastungsstörung bei den betroffenen Wöchnerinnen „gescreent“ wird, um Langzeitauswirkungen auf die mentale respektive psychische Gesundheit der Frauen zu verhindern. Für weitere Untersuchungen empfehlen die Autoren eine einheitliche Definition der Schwere postpartaler Blutungen. Mit prospektiven Studie sollte eine große Fallzahl und ein Langzeit-follow up angestrebt und es sollten validierte Fragebögen oder standardisierte Interviews genutzt werden, so die abschließenden Empfehlungen der Autoren dieses interessanten Reviews.

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

Die DGPFG freut sich über zwei neue Ehrenmitglieder!

Die DGPFG freut sich über zwei neue Ehrenmitglieder

Auf der Mitgliederversammlung der DGPFG wurden Frau Dipl.Psychologin Ulrike Hauffe und Herr Prof. Dr. med. Dietmar Richter zu Ehrenmitgliedern der DGPFG gewählt.

Hier finden Sie die Laudationes für die Geehrten:

„Ich werde weiter kooperativ und unbequem sein“
Ulrike Hauffe
ist neues Ehrenmitglied der DGPFG

Auf der Mitgliederversammlung der DGPFG (Berlin/ März 2018) hat der Vorstand den Mitgliedern vorgeschlagen, Frau Dipl.Psychologin Ulrike Hauffe zum Ehrenmitglied zu ernennen. Dem Antrag wurde einstimmig zugestimmt. Die Begründung und gleichzeitig Laudatio wurde von der amtierenden Vizepräsidentin Claudia Schumann gehalten:

„In der Satzung der DGPFG heißt es: „Die Ehrenmitgliedschaft kann Personen angetragen werden, die sich um die Entwicklung der Psychosomatik und Psychotherapie in der Frauenheilkunde und der Geburtshilfe sowie der DGPFG sehr verdient gemacht haben.“

Wie hat sich Ulrike Hauffe um die Entwicklung der gynäkologischen Psychosomatik verdient gemacht?
Ulrike Hauffe hat Psychologie studiert. Nach dem Studium war sie in den 90er Jahren in der Frauenklinik eines großen Bremer Krankenhauses und in einer frauenärztlichen Praxis tätig. Dort hat sie, gemeinsam mit den beiden Frauenärztinnen Edith Bauer und Mura Kastendieck, beide ebenfalls Mitglieder der DGPFG, das Konzept einer interdisziplinären Betreuung von schwangeren Frauen entwickelt. Jede Profession –  Ärztinnen, Hebammen, Psychologin, Geburtsvorbereiterinnen und Arzthelferinnen – hatte ihre Aufgabe und Rolle. Es entstand so ein sicheres Versorgungsnetzwerk, das die Schwangeren individuell je nach Bedarf nutzen konnten – mit sehr interessanten Ergebnissen. Dieses im besten Sinn des Wortes „ganzheitliche“ Betreuungs-Modell, ein Novum in der damaligen Zeit, wurde in der Folge von anderen Praxen übernommen.

Später wechselte Ulrike Hauffe in die Frauenpolitik. 1994 wurde sie von der Bremischen Bürgerschaft zur Landesbeauftragten für Frauen und Leiterin der Bremer ZGF (Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau) gewählt; die Wiederwahl für erneut 12 Jahre erfolgte 2006. In diesem Amt musste sich Ulrike Hauffe um viele Belange kümmern; ein Referat Frauengesundheit etablierte sie als erste Behörde eines Landes.
Sie hat 1994, zu Beginn ihrer Amtszeit, das „bremer forum frauengesundheit“, ein Bundesmodell, ins Leben gerufen, an dem sich regelmäßig unter ihrer Leitung die unterschiedlichsten Akteure im Gesundheits- und Wissenschaftssystem trafen und von dem wichtige Impulse in die Landespolitik und weit darüber hinaus ausgingen. Dabei ging es in den Diskussionen um sehr unterschiedliche Themen der Frauengesundheit, unter anderem um die Betreuung während der Schwangerschaft und Geburt, den Umgang mit Migrantinnen, um Gewalt gegen Frauen und um die Betreuung von Frauen mit Mobilitätseinschränkungen. Zentral war aus Sicht von Ulrike Hauffe immer „der Blick nicht vom System auf die Frau, sondern der Blick von der Frau aus“. Aus dem Forum wuchsen und erstarkten Kooperationen, es entstanden gemeinsame Betreuungskonzepte, Tagungen, Aktionen und Broschüren. Eine aktuell wichtige Initiative, an der sich FrauenärztInnen in Klinik und Praxis ebenso wie Hebammen beteiligten, hatte eine Senkung der Kaiserschnittrate zum Ziel. Das „Bremer Bündnis zur Unterstützung der natürlichen Geburt”, gegründet im Januar 2013, zeigt Erfolg: Die Kaiserschnittrate sank innerhalb von drei Jahren um 2,7 Prozent! Es gäbe noch von vielen gesundheitspolitischen Aktionen und Initiativen zu berichten, die nicht selten bundesweit diskutiert und in andere Regionen übernommen wurden.

Wie hat sich Ulrike Hauffe um die DGPFG verdient gemacht?
1996 fand die Jahrestagung der (damals noch) DGPGG (Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe) in Bremen statt, vorbereitet von Ulrike Hauffe und den FrauenärztInnen Mura Kastendieck, Edith Bauer und Manfred Braun. Die Tagung trägt ihre Handschrift: Inhaltlich war sie mehr als viele frühere DGPGG-Tagungen auf Fragen aus der gynäkologischen Praxis zentriert, und sie stellte die Frauenheilkunde in einen gesellschaftspolitischen Zusammenhang. In Erinnerung blieb vielen der kritische Vortrag zur Hysterektomie von Barbara Ehret-Wagner und die anschließende heiße Diskussion im Plenum.

Später wurde Ulrike Hauffe Vizepräsidentin unserer Fachgesellschaft, das Amt bekleidete sie neun Jahre (1999 – 2008), zunächst unter der Präsidentschaft von Heribert Kentenich, dann von Mechthild Neises. Ulrike Hauffe war es wichtig, dass Wissen immer politisch ist, dafür setzte sie sich ein. Damit ist gemeint: Gerade eine psychosomatische Frauenheilkunde muss nach außen wirken, das Wissen darf nicht im Elfenbeinturm bleiben. Diese Haltung hat sie im Verband stark gemacht. So gab es auf den Tagungen über viele Jahre eine Gruppe „Und was mach´ ich jetzt damit?“, oft von Ulrike Hauffe geleitet, in der man sich austauschen konnte über die Umsetzung des Gehörten in den eigenen beruflichen Alltag – ebenso initiierte sie eine Gruppe, in der erfahrene Wissenschaftler (Buddeberg, Brähler) die Jüngeren an das wissenschaftliche Arbeiten und Publizieren heranführten. Die Wirksamkeit der DGPGG nach außen wurde erhöht durch Vernetzung: Aus dieser Zeit stammt die noch heute besonders gut funktionierende Kooperation mit der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) und mit dem AKF (Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft).
Eine zentrale Rolle spielte Ulrike Hauffe bei der Vereinigung der Ost- und West-Gesellschaft. Sie hatte im Vorstand die Aufgabe der Zusammenführung Seitens der „West-Gesellschaft“ übertragen bekommen. Nach einer langen Phase der Annäherung wurde eine Verschmelzung beschlossen, die von VertreterInnen beider Gesellschaften umgesetzt wurde: neue Verbandsstruktur, neuer Namen, neues Logo. Den nicht immer einfachen Prozess hat Ulrike Hauffe ganz entscheidend moderiert und für eine zielgerichtete wertschätzende Diskussion auf Augenhöhe gesorgt, wie viele Beteiligte berichten. Auf das Ergebnis, die DGPFG (Deutsche Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe), sind wir stolz.

Was bedeutet diese Ehrenmitgliedschaft für die DGPFG?
Ulrike Hauffe steht für strukturiertes zielgerichtetes Arbeiten: „Was will ich erreichen – was muss ich dafür tun – wo gibt es Bündnispartner und -partnerinnen – was muss ich beachten?“ Das gilt für die Forschung ebenso wie für die Praxis, und vor allem für das Wirksamwerden von Erkenntnissen in der gesundheitlichen Versorgung von Frauen. Mit dieser Haltung und ihrer Begeisterungskraft hat sie viele von uns, die wir hier sitzen, überzeugt und angesteckt.

Bei ihrer Wiederwahl zur Landesfrauenbeauftragten in Bremen im Jahr 2004 hat sie gesagt: „Ich werde weiter kooperativ und unbequem sein“. Die Haltung, die dieser Satz ausdrückt, übernehme ich gerne für mich, und ich meine: dieser Satz steht auch der DGPFG gut!
Ich freue mich, dass die DGPFG diese feministische Gesundheitspolitkerin, die so viel für die psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe erreicht hat, als Ehrenmitglied begrüßen darf.

Claudia Schumann / Vizepräsidentin der DGPFG / März 2018

 

Wahl von Prof. Dr. med. Dietmar Richter zum Ehrenmitglied der DGPFG

Auf der MGV  im Rahmen der diesjährigen 47. Jahrestagung der DGPFG in Berlin wurde Prof. Dietmar Richter mit großer Mehrheit zum Ehrenmitglied ernannt.

Nach Studium in Freiburg, Innsbruck und München wirkte Richter lange Zeit an der Universititätsfrauenklinik Freiburg, an der er letztlich auch habilitierte.

Er leitete dann langjährig die geburtshilflich-gynäkologische Abteilung am Kreiskrankenhaus Bad Säckingen und ist an diesem Ort bis heute in freier Praxis tätig.

Der biopsychosoziale Gedanke hat sein Wirken zeitlebens durchdrungen. Nach psychoanalytischer Ausbildung in Freiburg lernte er auch langjährig bei Prof. Jürg Willi am Institut für Paar- und Familientherapie und Sexualtherapie in Zürich.

Er ist Gründungsmitglied der DGPFG, war deren 1. Präsident von 1979 – 1982 und war langjährig im Vorstand und Beirat unserer Gesellschaft aktiv.

Im Südwesten Deutschlands ist er bis heute die Instanz für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe und organisiert in vielfältiger Form Kurse zur psychosomatischen Grundversorgung, zur fachgebundenen Psychotherapie und zur Sexualtherapie.

Dietmar Richter regte auch an, die bis dato stets in Mainz stattfindenden jährlichen Kongresse an verschiedenen Universitätsfrauenkliniken in Deutschland anzubinden und die neu gegründete Gesellschaft vor Ort zu stärken. Seiner Umtriebigkeit ist es zu danken, dass über Dietmar Richter viele Kolleginnen und Kollegen den Weg in unsere Gesellschaft gefunden haben. Mit Prof. Piet Nijs organisierte er sieben wissenschaftliche europäische Symposien mit unseren Themenschwerpunkten. Hier entfaltete sich auch das kulturelle und phantasievolle Element des Dietmar Richter, welches immer besondere Inszenierungen vorsah. So ging ein bis heute unvergessener Gesellschaftsabend auf unserem Aachener Kongress 2010 mit vielen Beiträgen und bekannten Persönlichkeiten in der DGPFG auf das Konto seines Ideenreichtums.   Dietmar Richter hat sich zu einer besonderen Marke in der Psychosomatik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Deutschland entwickelt. Er verdient daher in vielerlei Hinsicht die Ehrenmitgliedschaft der DGPFG, zu der wir an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich gratulieren.

Dr. med. W. Lütje (Präsident)

Artikel des Monats Mai 2018

Artikel des Monats Mai 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Poli-Neto OB, Tawasha KAS, Romão APMS, Hisano MK, Moriyama A, Candido-Dos-Reis FJ, Rosa-E-Silva JC1, Nogueira AA.

History of childhood maltreatment and symptoms of anxiety and depression in women with chronic pelvic pain.

J Psychosom Obstet Gynaecol. 2018 Jun; 39(2):83-89.

 

In der brasilianischen Studie sollen die Prävalenz von körperlichem, sexuellem und emotionalem Missbrauch in der Kindheit sowie emotionaler Vernachlässigung bei Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz sowie ihre Assoziation mit der Schmerzsymptomatik, Angst und Depression untersucht werden.

In dieser Fall-Kontroll-Studie mit  154 erwachsenen Frauen waren 77 Frauen Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz und  78 gesunde Frauen. Die Vorgeschichte des Missbrauchs wurde mit dem Childhood Trauma Questionnaire (CTQ), Angst und Depression mit der  Hospital Anxiety and Depression scale (HADS) erhoben. Die Schmerzintensität wurde mit einer visuellen Analogskala erfasst. Anschliessend erfolgte eine subtile statistische Auswertung.

Bei den Ergebnissen dieser Studie zeigte sich eine Prävalenz von schlechter Behandlung im Sinne von  in der Kindheit von  77,9% in der Studiengruppe und 64,9% bei den gesunden Kontrollen  (p = 0.07). Emotionale Vernachlässigung war häufiger bei den Unterbauchschmerzpatientinnen als bei den gesunden Frauen (58.4% versus 41.5%, p = 0.04). Es fand sich eine moderate Korrelation zwischen Angst und Depression und den Scores im  CTQ bei Frauen mit Unterbauchschmerzen. Arbeitslosigkeit (OR = 4.15, 95% CI 1.73-9.94; ORadj =  3.30, 95% CI 1.26-8.55) war unabhängig assoziiert mit dem Vorhandensein von chronischem Unterbauchschmerz.

Die Autoren schließen aus den Resultaten der Studie, dass Missbrauch und Vernachlässigung in der Kindheit bei Frauen mit chronischem Unterbauchschmerz häufiger ist als bei gesunden Frauen. Des Weiteren wurde eine direkte Korrelation zwischen schlechter Behandlung in der Kindheit im Sinne von emotionaler Vernachlässigung sowie Angst und Depression gefunden. Arbeitslosigkeit wurde als ein unabhängiger Faktor für chronischen Unterbauchschmerz identifiziert.

Kommentar:

Die vorliegende Studie liefert einen Beitrag zur Diskussion um die Prävalenz von Missbrauchserfahrungen bei Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz. Bislang wird dieser Einflussfaktor kontrovers diskutiert und es gibt deutlich divergierende Studienergebnisse. Auffallend ist bei dieser Studie jedoch die auch in der Kontrollgruppe sehr hohe Prävalenz von Vernachlässigung und Missbrauch, insofern stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse als verallgemeinerbar interpretiert werden können bei zudem auch relativ kleiner Fallzahl. Auch gibt die Studie keine Hinweise auf die immer noch unklaren Entstehungsmechanismen des chronischen Unterbauchschmerzes. Letztendlich könnte diesbezüglich nur ein prospektiver Studienansatz weiterhelfen.

Friederike Siedentopf, Mai 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Artikel des Monats April 2018

Artikel des Monats April 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Benjamin Tuschy et al.

Evaluation of psychosocial and biological parameters in women seeking for a caesarean section and women who are aiming for vaginal delivery: a cross-sectional study.

Archives of Gynecology and Obstetrics April 2018, Volume 297, Issue 4, pp 897–905

 

Im Zusammenhang mit der steigenden Sectiorate wird auch immer wieder die sog. Wunschsectio diskutiert und postuliert, dass diese einen nicht unerheblichen Anteil an der Zunahme der Kaiserschnitthäufigkeit habe. Unterschiedliche Gründe werden für diese Wahl des Geburtsmodus vermutet, so u.a. Angst vor (Geburts-)Schmerzen, belastende Geburtserfahrungen, Befürchtungen vor ungünstigen Spätfolgen einer vaginalen Geburt u.a.m. Offenbar spielt aber auch das soziale Umfeld eine Rolle beim Entscheidungsprozess für oder gegen eine elektive Sectio. Eine Arbeitsgruppe der Universitäts-Frauenklinik in Mannheim untersuchte nun psychosoziale und biologische Parameter, von denen vermutet wurde, dass sie den Entscheidungsprozess bei Frauen mit Wunschsectio beeinflussen könnten. Sie führten eine prospektive Studie bei 200 Frauen durch, das Zielkollektiv umfasste 93 Frauen, die Kontrollgruppe (Frauen, die eine vaginale Geburt wünschten) 109. Die Frauen erhielten bei der Vorstellung in der Klinik-Schwangerenberatung zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche ein Fragenbogenpaket, das u.a. ihre psychosoziale Belastung (SCL 90R), Persönlichkeitsstruktur, soziale Unterstützung und Ängste (STAI) erfasste. Die Wunschsectio-Gruppe umfasste nur Frauen ohne (geburts-)medizinische Indikationen für den Eingriff, während aus der Kontrollgruppe Frauen mit einer absoluten Sectioindikation ausgeschlossen wurden. Außerdem wurde bei den in die Studie einbezogenen Schwangeren die Haarcortisolkonzentration als Marker für chronischen psychosozialen Stress gemessen, und es erfolgte mit einem Algometer eine Druckschmerzmessung bei allen Teilnehmerinnen.

Leider wurden nur Frauen mit ausreichenden Deutschkenntnissen in die Studie einbezogen, so dass über eine große Gruppe von Migrantinnen keine Aussage getroffen werden kann. Es wurde außerdem alle Frauen, unabhängig von der Parität, einbezogen und auch Frauen, die bereits einen Kaiserschnitt in der Anamnese hatten.

Es zeigt sich, dass die Frauen der Wunschsectiogruppe weniger soziale Unterstützung hatten, einen geringeren Bildungsstand aufwiesen, ängstlicher und weniger extrovertiert waren als die Schwangeren der Kontrollgruppe. Diese Schwangeren des Zielkollektivs wiesen auch höhere Druckschmerzwerte auf. Die Cortisolwerte im Haar, die den Stresswert im letzten Trimenon wiederspiegeln, zeigten zwischen beiden Gruppen keinen signifikanten Unterschied. Die Frauen der Kontrollgruppe hatten in 80% bereits vor der Schwangerschaft die Entscheidung für eine vaginale Geburt getroffen, während es im Zielkollektiv nur 21% waren. Die Autoren berichten, dass die Frauen des Kontrollkollektivs höhere Score-Werte bei der negativen Beurteilung der Geburt zeigten, während die Werte für die Variable „Fehlen positiver Erwartungen“ im Zielkollektiv höher ausfielen. Die Frauen, die sich für eine elektive Sectio entschieden hatten, stuften den Rat des sozialen Umfelds zu medizinischen Aspekten als weniger wichtig ein als die Schwangeren der Kontrollgruppe. Hier gab es insbesondere signifikante Unterschiede bei der Einschätzung der (geringen) Relevanz der Ratschläge von Freunden und Hebammen.

Die Autorengruppe schlussfolgert, dass die Wahl zwischen vaginaler und Kaiserschnittentbindung eine persönliche Entscheidung der Schwangeren ist, die durch affektive und kognitive Komponenten, aber auch durch das soziale Umfeld, d.h. die Ratschläge medizinischer, nichtmedizinischer und familiärer Quellen, beeinflusst wird. Die Autoren sind der Überzeugung, dass eine frühe Entdeckung solcher Schwangerer, die sich für eine Wunschsectio entschieden haben, wichtig ist, weil sich dann noch Möglichkeiten einer Einflussnahme ergeben könnten – dies betrifft, wie die Studienergebnisse zeigten, insbesondere wenig gebildete Frauen ohne medizinische Gründe für eine Sectio mit geringer Unterstützung durch das soziale Umfeld.

Matthias David, April 2018

Prof. Dr. med. Matthias David

Artikel des Monats März 2018

Artikel des Monats März 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Hanschmidt F, Hoffmann R, Klingner J, Kersting A, Stepan H.

Help-seeking Following Termination of Pregnancy after Diagnosis of Fetal Anomaly: Women’s Intentions and Experiences 1 to 7 Years after the Event.

Geburtshilfe Frauenheilkd. 2018 Feb; 78(2):160-166.

 

In einer Leipziger Studie wurden  148 Frauen nachuntersucht, die sich nach der Diagnose einer fetalen Anomalie einem Schwangerschaftsabbruch in der Universitätsklinik unterzogen hatten. Sie füllten zwischen 1 und 7 Jahre nach dem Abbruch einen Selbstbeurteilungsfragebogen aus.

Die Diagnose einer fetalen Anomalie und die schwierigen Umstände, die mit der Entscheidung zusammenhängen, die Schwangerschaft abzubrechen, können eine starke psychische Belastung für betroffene Frauen darstellen. Die Autoren konstatieren, dass bisher  noch relativ wenig darüber bekannt ist, in welchem Maße und wo betroffene Frauen Hilfe für ihre emotionalen Probleme nach einem Schwangerschaftsabbruch bei Diagnose einer fetalen Fehlbildung suchen. Die wichtigsten Endpunkte der Untersuchung waren Absicht, nach Hilfe zu suchen, und tatsächliches Verhalten, um Hilfe zu bekommen.

Der Zusammenhang zwischen soziodemografischen Merkmalen und der Absicht, nach Hilfe zu suchen, wurde mithilfe der logistischen Regressionsanalyse untersucht. Die meisten Frauen berichteten, dass sie Hilfe bei ihrem Partner (91,7%), bei Freunden und/oder der Familie (82,8%) oder im Internet (62,2%) suchen würden. Was das Gesundheitswesen anbetrifft, gaben 50,0% der Frauen an, dass sie bei ihrem Gynäkologen Hilfe suchen würden, und zwischen 43,8 und 47.9% der Frauen berichteten, dass sie bei einer psychologischen Beratungsstelle bzw. bei psychosozialen Fachkräften Hilfe suchen würden. Die wenigsten (21,7%) hatten die Absicht, Hilfe bei Selbsthilfegruppen zu suchen. Es gab einen Zusammenhang zwischen Alter, Einkommen, Region und Religion und der Absicht, Hilfe zu suchen. Von den Teilnehmerinnen mit einer erhöhten psychischen Belastung gaben 23,8% an, dass sie niemals ihre emotionalen Probleme mit einer medizinischen Fachkraft diskutiert hätten.

Fazit: Die gezogenen Schlussfolgerungen der Autoren sind, dass Gynäkologen zu den bevorzugtesten Gesundheitsfachkräften gehören, mit denen Frauen ihre psychologischen Probleme nach einem Schwangerschaftsabbruch bei Diagnose einer fetalen Fehlbildung besprechen. Gynäkologen sollten daher aktiv an der Früherkennungsuntersuchung, diagnostischen Beurteilung und Überweisung von betroffenen Frauen beteiligt sein. Aus meiner Sicht kann man die Schlussfolgerungen dieser interessanten Studie noch erweitern: der überwiegende Teil der betroffenen Frauen sucht Unterstützung bei ihrem Partner, unklar ist jedoch wie diese mit dem Ansinnen umgehen und wie die dadurch evtl. bestehende Belastung in der Beziehung verarbeitet wird. Dies weiter zu untersuchen, wäre lohnenswert und es könnten sich daraus für die konkrete Betreuung neue Aspekte ergeben. Dass ein Viertel der stärker belasteten Frauen niemals mit einer medizinischen Fachkraft gesprochen hat, ist dagegen erschreckend und sollte in der Konsequenz bedeuten, dass die Frage nach der psychischen Belastung nach einem Schwangerschaftsabbruch beispielsweise bei der Nachuntersuchung in der Praxis oder Klinik unbedingt aktiv ärztlicherseits thematisiert werden sollte, um letztlich die Risikogruppen einer ungünstigen Verarbeitung zuverlässig zu erkennen.

Friederike Siedentopf, März 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

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